Jetzed, was isch au des? Johannes Schüchner als Prinz von Württemberg Foto: Patrick Pfeiffer

Der Regisseur Klaus Hemmerle hat auf der Freilichtbühne der WLB in Esslingen Jörg Ehnis schwäbische „Hamlet“-Version kurzweilig inszeniert – komisch und eindringlich zugleich.

Stuttgart - Der Schwabe zaudert nicht, baut lieber Häuschen. Das Schwäbische spielt in Jörg Ehnis Bearbeitung des großen Shakespeare-Dramas denn auch eher eine Nebenrolle. Zwar heißt das Stück, das die Württembergische Landesbühne Esslingen seit Donnerstag auf ihrer Freilichtbühne zeigt, „Hamlet, Prinz von Württemberg“ – aber gerade dieser Hamlet schwäbelt, zum Glück, kein bisschen. Claudius, der Hamlets Vater mordete und seine Witwe heiratete, dagegen sehr.

Fast scheint es, als habe Ehni mit seiner Adaption ein Hühnchen mit der Heimat rupfen wollen – gerade die Bösen sind es hier vor allem, die den Dialekt sehr grantig pflegen. Polonius, gespielt von Martin Theuer, kommt als vierschrötiger schwäbischer Geschäftsmann daher, mit breiter Krawatte und noch breiterer Sprache. Und Claudius (Antonio Lallo) küsst die Gertrud, sagt „Schätzle“ und – „I muas jezt regiera ganga!“

Eine Bande krimineller Autohändler

Hamlet aber spricht in klarem Hochdeutsch, auch Ophelia kann das; Rosenkranz und Güldenstern (Nina Mohr und Tobias Strobel) rutschen nur dann ins Schwäbische ab, wenn sie sich mit König und Kämmerer unterhalten. Der Prinz von Württemberg ist ein schlaksiger junger Mann, ganz in Schwarz, mit einer Tolle, die ihm bei jedem Gothic-Treffen Ehre machen würde; Johannes Schüchner spielt ihn mit scharfen, irren Konturen. Marie Mayer ist die ruhige, schöne Ophelia; Frank Ehrhardt ein draufgängerischer, zorniger Laertes.

Das Bühnenbild von Frank Chamier besteht vor allem aus der hölzernen Schlossfront zur Rechten und einem großen Teppich. Gespielt wird in der Maile, zwischen Brücke und Neckar. Das nahe Steinhaus am Ufer wird ins Spiel miteinbezogen; Ophelia huscht dort hinein und verliert den Verstand. Später wird sie in einem Boot auf dem Fluss vorüber treiben.

Wie eine Bande krimineller Autohändler wirkt der Hof von Württemberg in den Kostümen, die Marion Eisele ihm gegeben hat – Claudius bestellt sich die schnelleren Kanonen für den nächsten Krieg in Untertürkheim. Die Schauspieltruppe, die am Hof gastiert, kreuzt im bunten, alten VW-Laster auf, spielt auf dessen Ladefläche wie in einem Stummfilm, zur Musik eines Akkordeons – ein kleines Bravourstück.

„Rache muaschd nehma!“

Marietta Meguid und Boris Burgstaller vom Ensemble des Stuttgarter Schauspiels wirken beim schwäbischen Hamlet als Gäste mit; Erich Koslowski und Herbert Häfele vom Esslinger Kabarett Galgenstricke ebenfalls. Meguid ist Gertrud, die Mutter des Hamlet; Burgstaller hat einen großartig komischen Auftritt als Geist von Hamlets Vater – er fährt im Elektrowägelchen vor, den Korb voll qualmender Schädel, stänkert wüst drauf los, auch er auf Schwäbisch: „Ausbrunst auf ewig!“ – „Rache muaschd nehma!“ Und die Galgenstricke sorgen immer wieder gemeinsam mit anderen Schauspielern als Totengräber für eine Folklore, die zu einer heimeligen Welt passt, die aus den Fugen ist.

Klaus Hemmerle hat Hamlet für die WLB sehr kurzweilig inszeniert; es fehlt nicht an kruder Komik, manchmal grenzt das Stück an Parodie. Aber es finden sich auch viele starke, intensive Szenen – vor allem jene, in der Hamlet mit seiner Mutter spricht, die den Geist des toten Königs nicht sieht. Tiefer schürfende Inszenierungen dieses Stoffes gibt es ganz gewiss, aber der Landesbühne gelingt eine erstaunlich gute Balance zwischen dem volkstümlich-burlesken, publikumsnahen Ton und dem abgründig-ernsten. Zuletzt steht Tobias Strobel als Hofmann Osrick vor den Esslinger Mauern und haucht noch einmal, wie im Wahn, ein fanatisches „Württemberg!“ Das Publikum geht und gruselt sich dabei vielleicht ein bisschen vor der Heimat.

Vorstellungen: 25., 28., 29. Juni sowie 1., 8., 9., 12. bis 16., 20. bis 23. und 27. bis 29. Juli, jeweils 20 Uhr.