Augen zu und durch: Sosthene Moguenara will bei der Hallen-EM einen großen Satz machen Foto: dpa

Sie will bei den Hallen-Europameisterschaften (6. bis 8. März) ins Finale. Ein bescheidenes Ziel für eine Leichtathletin wie Sosthene Moguenara. Immerhin gehört sie in dieser Saison zu den drei besten Weitspringerinnen der Welt. Und: Die Wattenscheiderin ist zu allem fähig – wenn sie das Brett trifft.

Stuttgart - Sportler brauchen Rituale. Auch Sosthene Moguenara. Wenn die Weitspringerin eine Portion Motivation nötig hat, schaut sie sich ein Video an. Nicht irgendeines. Eines von Heike Drechsler, der erfolgreichsten deutschen Weitspringerin. „Ich bin ein Fan von ihr“, verrät Sosthene Moguenara.

Die Sprünge der zweimaligen Olympiasiegerin sind ihre Inspiration. „Sie war so schnell im Anlauf, ihre Technik war perfekt, und ihre Weiten sind unerreichbar“, schwärmt die 25-Jährige. „So gut wie sie werde ich niemals.“ Heike Drechsler sei einfach eine Ausnahmeathletin gewesen.

Ihre Leistungen sind teilweise bis heute nicht überboten worden. In der Halle steht der Weltrekord bei 7,37 Meter. Drechsler sprang ihn vor 27 Jahren, Moguenara war damals noch nicht einmal geboren. „Sossi“ kam 1989 im Tschad zur Welt. Nach Deutschland ist sie mit acht Jahren gekommen. Sie wollte eigentlich nur die Schwester ihrer Mutter besuchen, aber sie blieb. Denn im Tschad brach der Krieg aus. Die Tante adoptierte Moguenara. 2009 bekam sie einen deutschen Pass. Und so kennt die Sport-Soldatin die erfolgreichen Zeiten der deutschen Weitspringerinnen nur aus Erzählungen.

In den 80er und 90er Jahren waren die Athletinnen hierzulande Weltklasse. Fast alle Weiten der Top Ten in der ewigen deutschen Hallen-Bestenliste stammen aus dieser Zeit. Nur eine kam nach 1996 noch hinzu. Die von Sosthene Moguenara. Im Januar sprang sie in Saarbrücken 6,86 Meter. In Deutschland waren nur Drechsler, Helga Radtke (7,09) und Susen Tiedtke (6,90) besser.

Auch in der Weltjahresbestenliste kann sich das Ergebnis von Moguenara sehen lassen. Lediglich die Britin Katarina Johnson-Thompson (6,93) und die Kanadierin Christabel Nettey (6,99) sprangen in dieser Saison weiter. Bei den Hallen-Europameisterschaften im Prag ist Letztere nicht dabei – im Gegensatz zur deutschen Meisterin Moguenara.

Große Sprüche gibt’s von der Wattenscheiderin vor der an diesem Freitag beginnenden EM dennoch nicht: „Mein Ziel ist das Finale“, sagt sie. „Das wäre super.“ Moguenara hat gelernt, in kleinen Schritten zu denken. Mit Bundestrainer Ulrich Knapp und ihrem Heimcoach André Ernst hat sie akribisch und unermüdlich an ihrer Technik gefeilt, nun ist sie zu allem fähig – wenn sie denn das Brett beim Absprung richtig trifft.

Vor allem bei den großen Meisterschaften verschenkte sie zuletzt zu viel. Bei der Freiluft-Weltmeisterschaft 2013 in Moskau kam sie auf Platz zwölf, bei den Olympischen Spielen in London war 2012 bereits nach der Qualifikation Schluss. Und bei den Europameisterschaften im vergangenen Jahr in Zürich landete sie bei 6,38 Metern im Sand. Platz neun. Dabei springt die Wattenscheiderin auch draußen weit: 7,04 Meter ist ihre persönliche Freiluft-Bestleistung. Moguenara ist eine fliegende Überraschung.

Auch bei der deutschen Meisterschaft in Karlsruhe vor zehn Tagen verschenkte Moguenara wieder einige Zentimeter am Brett. 6,68 Meter standen am Ende auf der Anzeigetafel. Für DM-Gold hat es gereicht, für eine erfolgreiche Hallen-EM in Prag muss sie sich aber ein bisschen steigern.

Eine wird ihr während der europäischen Hallen-Titelkämpfe übrigens ganz fest die Daumen drücken: Heike Drechsler. „Sosthene ist eine der Favoritinnen. Ich hoffe, dass sie das Brett richtig trifft“, sagt die ehemalige Weltklasse-Athletin. Denn wenn der Absprung passt, ist für Moguenara alles drin.