Produktion von Radbremsscheiben für Schienenfahrzeuge bei der Knorr-Bremse AG in München. dfdfddfdf Foto: Knorr-Bremse

Der Kauf der schwedischen Haldex durch den Münchner Familienkonzern Knorr-Bremse ist zum offenen Konflikt eskaliert. Das könnte ZF Friedrichshafen wieder ins Spiel bringen.

München - Wer glaubt, dass nur Chinesen bei Übernahmeversuchen in Europa Alarmglocken zum Schrillen bringen, kennt den Familienkonzern Knorr-Bremse nicht. Der Weltmarktführer für Zug- und Lkw-Bremsen ist dabei, den schwedischen Bremsenspezialisten Haldex zu übernehmen. Zumindest dachte man das lange. Vorigen Herbst hatten die Bayern den heimischen Kfz-Zulieferriesen ZF Friedrichshafen in einem kurzen, aber knackigen Bieterduell ausgestochen und 583 Millionen Euro für die schwedische Technologieperle geboten. Damit hatte man die Haldex-Aktionäre überzeugt, nicht aber die Kartellbehörden der EU und der USA. Die Haldex-Übernahme geriet in der Folge zur Hängepartie. Manche sagen: zur verlorenen Sache. In jedem Fall wurde sie sehr hässlich.

Ende Juni ist Haldex der Geduldsfaden gerissen. Nachdem EU-Kartellwächter große Vorbehalte gegen die Übernahme angemeldet hatten, entzogen die Schweden den Münchnern die Unterstützung dafür. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Geschäft noch genehmigt wird, sei sehr gering, urteilte der Haldex-Aufsichtsrat unter Jörgen Durban. Sechs von acht Haldex-Geschäftsbereichen, die für die Hälfte aller Umsätze stehen, müssten kartellrechtlich verkauft werden, weil eine marktbeherrschende Stellung drohe. So mache der Deal keinen Sinn mehr. Knorr-Bremse dagegen ließ sich zumindest nach außen hin nicht schrecken. Das sei alles einkalkuliert und beherrschbar, hieß es in München. Wer die Übernahme gefährde, seien querschießende Haldex-Manager.

Haldex-Kunden springen ab

In der ersten Juli-Woche kamen dann US-Kartellbehörden zu einem ähnlichen Urteil wie ihre EU-Kollegen. Seitdem geht es richtig rund. Es sei nicht absehbar, dass Knorr-Bremse für all die Geschäftsteile, die man verkaufen müsste, um die Kartellwächter zufriedenzustellen, Käufer finde, warnte Durban. Falls das dennoch gelänge, wäre eine Zerschlagung von Haldex die Folge. Bis auf eine wären alle Fabriken betroffen. Schon jetzt würden zudem Haldex-Kunden wegen der unklaren Eigentümerlage abspringen. „Wir können keinen anderen Schluss ziehen, als dass das wirkliche Übernahmemotiv von Knorr-Bremse ist, sich eines Konkurrenten zu entledigen“, betont Durban.

Widerspruch – und noch dazu solchen – ist man in München nicht gewohnt, wo hinter den Kulissen Familienpatriarch Heinz Hermann Thiele regiert. Haldex agiere verantwortungslos, schäumen die Münchner. Die Schweden würden versuchen, dem Votum der Kartellbehörden vorzugreifen, Unsicherheit unter den Haldex-Aktionären zu säen und das Angebot von Knorr-Bremse zu untergraben. Man habe in München aber weiter alles im Griff und sei vom Erfolg der Übernahme ungebrochen überzeugt. Um widerspenstige Haldex-Manager auf Linie zu bringen, hat Knorr-Bremse mit den 15 Prozent, die man bislang an Haldex hält, eine außerordentliche Hauptversammlung in Stockholm für den 17. August einberufen lassen. Dort soll der Widerstand der Manager gebrochen werden.

Auch in München sind die Reihen aber nicht mehr geschlossen. „Das hat ganz klar den Charakter einer feindlichen Übernahme bekommen“, sagt ein Insider bei Knorr-Bremse. Damit sei der Ruf nach einem Weißen Ritter, der sich schützend vor Haldex stellt, absehbar. Und der liege in Form von ZF ziemlich nahe. Bei den Haldex-Aktionären, die noch vorigen Herbst für Knorr-Bremse votiert hatten, sei die Begeisterung jetzt sicher nicht mehr so groß, und eigentlich müsse man Haldex wünschen, dass den Schweden Knorr-Bremse als Eigner erspart bleibe.

ZF könnte eingreifen

Der Weiße Ritter in spe taktiert. „Wir wollen das Beste für Haldex und ZF“, erklären die Friedrichshafener, die ihre Haldex-Anteile Knorr-Bremse angedient haben – allerdings vorbehaltlich kartellrechtlicher Freigaben. De facto ist ZF mit 20 Prozent Anteil weiter größter Haldex-Aktionär. Natürlich werde man Mitte August zum Eignertreffen nach Stockholm kommen und sich dort so verantwortungsvoll verhalten, wie es auch das Haldex-Management immer gewesen sei, heißt es diplomatisch verklausuliert. Viel Fantasie braucht es nicht, um Widerstand gegen Knorr-Bremse daraus herauszulesen.

Und ZF ist nicht der einzige Haldex-Miteigner, den Knorr-Bremse fürchten muss. Denn eingekauft haben sich auch Hedgefonds in der Erwartung steigender Haldex-Kurse. Sie halten rund die Hälfte aller Anteile. Sollte alles platzen, seien Klagen aus dieser Ecke vorprogrammiert, heißt es aus dem Kreis der Haldex-Aktionäre.

Durban hofft indessen, dass Knorr-Bremse beim Eignertreffen Mitte August scheitert. Aus Sicht des Haldex-Oberaufsehers wäre das der finale Schlag gegen die feindlich gewordenen Übernahmepläne. Am liebsten würden die Schweden wieder allein Geschäfte machen, aber wenn sie schon geschluckt werden, dann vom richtigen Partner. „Der könnte ZF sein“, sagt Durban und hofft auf verantwortungsvolle Friedrichshafener.