Der geplante Abriss dieses Hauses veranlasste die Stadtverwaltung dazu, eine Erhaltungssatzung für den Teilbereich Nord in die Wege zu leiten. Auf dem Grundstück an der Lenzhalde sollen zwei Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Foto: Archiv Rebecca Anna Fritzsche

Die Stadtverwaltung möchte die stadtbildprägenden Gebäude in der Halbhöhenlage in Stuttgart-Nord erhalten. Dazu soll für den Bereich eine Erhaltungssatzung erarbeitet werden. Der Bezirksbeirat Nord hat diesem Vorhaben nun zugestimmt.

S-Nord - Ein großer Andrang herrschte am Montagabend im dritten Stock des Rathauses. Zur Sitzung des Bezirksbeirats Nord waren mehr Bürger gekommen, als der kleine Sitzungssaal Sitzplätze hat; so verfolgten einige der Zuhörer das Geschehen im Stehen. Hervorgerufen wurde das Interesse durch den Plan der Verwaltung, das Stadt- und Landschaftsbild der Hanglagen im Stuttgarter Norden zu schützen. Dafür soll eine sogenannte Erhaltungssatzung für den Bereich zwischen Feuerbacher Heide, Robert-Bosch-Straße, Herdweg und der Gäubahntrasse erarbeitet werden.

Carolin zur Brügge und Uwe Braunschweiger vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung haben das Vorhaben vorgestellt. Die Hanglagen seien allein durch die Kessellage Stuttgarts stadtbildprägend; deshalb wolle man das Gesamtbild in dem Bereich möglichst bewahren. Bestehende Gebäude sollen erhalten werden, wenn es geht; Neu- und Umbauten sollen sich gestalterisch einfügen, erklärte zur Brügge, die zuständige Abteilungsleiterin im Stadtplanungsamt. „Wir wollen eine stereotype Planung verhindern, die teilweise auch durch Investorenarchitektur entsteht.“ Dabei soll das Ziel Wohnungsbau aber nicht aus dem Auge verloren werden, sagte zur Brügge. „Es soll künftig geprüft werden, ob das, was kommen soll, wirklich besser ist.“ In diese Prüfung könnte auch ein Gestaltungsbeirat einbezogen werden, dem externe Fachleute wie etwa Architekten oder Stadtplaner angehören.

Die Abgrenzung des Gebiets wird kritisiert

Von Seiten der CDU wurde bezweifelt, ob die Stadtverwaltung die richtige Adresse sei, um architektonische Qualität zu beurteilen. „Die Stadt selbst hat schon manche Bausünde gebaut“, sagte der stellvertretende CDU-Bezirksbeirat Kai Hoffmann. Er stellte das Konzept der Erhaltungssatzung grundsätzlich in Frage, da es bereits andere Maßnahmen wie etwa den Bebauungsplan gebe. Armin Serwani (FDP) störte, dass ein ganzes Gebiet und nicht – wie beispielsweise im Nordbahnhofviertel – bestimmte Ensembles geschützt werden sollen. Die Abgrenzung dieses Gebietes wurde von einigen Bezirksbeiräten kritisiert, unter anderem von Sebastian Sage (SPD). Gleichwohl begrüßte er den Vorstoß der Verwaltung. Die Erhaltungssatzung sei ein flexibles Instrument, mit dem Bauvorhaben, die bisher genehmigungsfrei realisiert werden konnten, frühzeitig bemerkt werden könnten. Sage wies auch darauf hin, dass der Aufstellungsbeschluss zunächst nur der Auftrag an die Verwaltung sei, die Satzung zu erarbeiten, die noch einmal extra beschlossen werden müsse. Auch Jürgen Klaffke (SÖS-Linke-Plus) warnte vor Angstmacherei; es gehe schließlich nur darum, den Charakter des Wohngebiets zu erhalten. „Ich denke schon, dass es ein gewisses Gemeinwohlinteresse gibt, dass da oben nicht willkürlich gebaut wird“, sagte Grünen-Bezirksbeirat Ralph Wöhrle.

Carolin zur Brügge betonte, dass die Erhaltungssatzung nichts Neues für Stuttgartsei, sondern zum Beispiel in der Stadtmitte schon lange erfolgreich angewandt werde. Außerdem seien Bebauungsplanänderungen ein viel stärkerer Eingriff in das Eigentumsrecht. „Wir sind am Anfang des Prozesses“, sagte zur Brügge. Sie versprach, die Anregungen zur Gebietsabgrenzung mitzunehmen. Auch die von Bezirksbeiräten und Anwohnern mehrfach vorgebrachte Befürchtung, künftig willkürlichen Entscheidungen ausgeliefert zu sein, nahm sie auf. Sie wolle anregen, dass der Genehmigungsprozess transparent und nachvollziehbar werde, sagte zur Brügge.

Bei den Bürgern, die sich während der Bezirksbeiratssitzung zu Wort meldeten, hielten sich Ablehnung und Zustimmung etwa die Waage. Die Bezirksvorsteherin Sabine Mezger berichtete, dass sich bei ihr auch schon viele Anwohner gemeldet hätten: „Die Meinungen, die mich erreicht haben, sind absolut konträr.“ Im Anschluss an die Zustimmung zum Aufstellungsbeschluss mit acht Ja- und vier Gegenstimmen folgten die Bezirksbeiräte dann auch einstimmig dem Antrag Armin Serwanis, die betroffenen Anwohner zu einem Aussprache- und Informationsabend einzuladen, bevor die Satzung verabschiedet wird. Tags darauf, am Dienstag, 26. April, hat auch der Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderats dem Aufstellungsbeschluss bei zwei Enthaltungen zugestimmt.