Das aktuelle Urteil wird auch in der IHK Region Stuttgart aufmerksam gelesen werden: Dort klagen 13 Kammermitglieder gegen die Mitgliedsbeiträge. Foto: IWS

Weil sie unzulässige Vermögensbildung betrieben hat, ist der Beitragsbescheid der IHK Ostwürttemberg von 2013 rechtswidrig. Diese Entscheidung des VGH hat Signalwirkung – denn auch in Stuttgart klagen Kammermitglieder gegen die Beiträge.

Mannheim - Die Industrie- und Handelskammer Ostwürttemberg (IHK) hat vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) eine deutliche Niederlage eingefahren. Die Richter haben den Beitragsbescheid aus dem Jahr 2013 aufgehoben, weil die Kammer überhöhte Rücklagen angehäuft und damit eine unzulässige Vermögensbildung betrieben habe. Einzelne Rücklagentöpfe bezeichneten die Richter als komplett rechtswidrig. Bei anderen habe die Kammer gegen das Prinzip der Haushaltswahrheit und das Gebot der Schätzgenauigkeit verstoßen, weil nicht nachvollziehbar sei, wie die IHK den Rücklagenbedarf kalkuliert habe. Damit haben die Mannheimer Richter ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom November 2013 kassiert. Eine Revision ist nicht zugelassen (Aktenzeichen 6S1261/14).

Geklagt hatte Rainer Horlacher, der in Hüttlingen und Gschwend im Ostalbkreis vier Modehäuser betreibt. Der Unternehmer gehört dem Bundesverband für freie Kammern (BffK) an, der sich unter anderem für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den 79 deutschen Industrie- und Handelskammern einsetzt. Horlacher zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. „So richtig glücklich kann man mit der Gesamtsituation aber noch nicht sein“, erklärte er. Das eigentliche Ziel seiner Klage sei schließlich nicht die Rückerstattung der Mitgliedsbeiträge gewesen. „Das Ziel muss es sein, die Kammern zu effizienten und modernen Dienstleistern zu reformieren.“

IHK Ostwürttemberg vertritt 24 000 Unternehmen

Der BffK, der vor 20 Jahren gegründet wurde und bundesweit 1300 Mitglieder hat, feierte hingegen das Urteil auf seiner Homepage als wichtigen Erfolg. Erstmals sei in einem Urteil eine Überdotierung der Ausgleichsrücklage zum Anlass der Aufhebung eines Beitragsbescheides genommen worden. Die so genannte Ausgleichsrücklage dient dazu, in konjunkturell schwachen Jahren das dann niedrigere Beitragseinkommen der Kammern auszugleichen, weil die Mitgliedsbeiträge sich an dem Gewinn der Unternehmen orientieren. Von der IHK Ostwürttemberg, die etwa 24 000 Unternehmen im Ostalbkreis und im Kreis Heidenheim vertritt, war am Donnerstag keine Stellungnahme zu bekommen.

Die Vertreter der IHK hatten bei der Verhandlung in Mannheim im November keinen leichten Stand. Sie hatten erkennbar Schwierigkeiten gehabt, den immer ungeduldiger nachfragenden Richtern zu erklären, wie der Bedarf für die verschiedenen Rücklagentöpfe in den vergangenen Jahren kalkuliert worden war. 2013 hatte die IHK 8,6 Millionen Euro in vier unterschiedlichen Sparstrümpfen: der Bau- und Instandhaltungsrücklagen, zwei Ausgleichsrücklagen und der so genannten Liquiditätsrücklage, die sicherstellen soll, dass die Finanzierung der IHK ohne Kreditaufnahmen gewährleistet ist.

Diese fehlende Nachvollziehbarkeit ist in dem aktuellen Urteil denn auch die Kernkritik der Richter. Rechtswidrig sei es nicht nur, unzulässig hohe Rücklagen zu bilden. Auch wenn eine Kammer es versäume, das überschüssige Geld den Mitgliedern wieder zurückzuzahlen, handle sie widerrechtlich. Der VGH folgte damit auch einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig vom Dezember 2015.

Berliner IHK senkt Beiträge für 2012 rückwirkend

Dieser Richterspruch hatte in einigen der 79 Kammern in Deutschland durchaus für Unruhe gesorgt. Die Berliner IHK als bundesweit größte Kammer hatte beispielsweise im Juni beschlossen, die Mitgliedsbeiträge für 2012 rückwirkend um fast ein Drittel zu senken und 13 Millionen Euro wieder auszuschütten. Das Mannheimer Urteil wird wohl in den Kammern erneut genau gelesen werden, denn der BffK ruft seine Mitglieder überall auf, gegen die Beitragsbescheide zu klagen. Gegen die IHK Region Stuttgart sind aktuell 13 Verfahren anhängig. In der 120 Mitglieder zählenden Vollversammlung sitzen aktuell 32 Mitglieder der so genannten Kaktusinitiative, die sich den Zielen des Verbands der freien Kammern anschließt. Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers Andreas Richter ruhen davon aber elf derzeit, weil zu dem Thema auch eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Das hat aber noch nicht entschieden, ob die Beschwerde zugelassen wird.

Andreas Richter bewertet das neuerliche Urteil entspannt – und wartet auch gelassen ab, was die für Stuttgart noch ausstehenden Gerichtsverfahren ergeben. „Wir können guten Gewissens sagen, wir haben nicht zu viel auf der hohen Kante“, sagt der IHK-Chef. Zum Ende dieses Jahres wird die IHK Region Stuttgart rund 18 Millionen Euro an Rücklagen haben. Ende nächsten Jahres sollen es plangemäß noch 15,4 Millionen Euro sein, obwohl die Risikoprognose einen größeren Bedarf ergeben habe. Der Vollversammlung werde detailliert berichtet, wie diese Prognosen zustande gekommen seien. Diese seien nicht in Frage gestellt worden: Der Haushaltsausschuss, in dem auch ein Mitglied der Kaktusinitiative vertreten ist, habe unisono zugestimmt.