Selbstständiges Lernen und individuelle Förderung wird in der Gemeinschaftsschule groß geschrieben Foto: dpa

Eine gymnasiale Oberstufe wird es nur an großen Gemeinschaftsschulen geben – Schüler kleinerer Schulen müssen nach der zehnten Klasse die Schule wechseln.

Stuttgart - Nur große Gemeinschaftsschulen können eine eigene gymnasiale Oberstufe einrichten. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) rechnet damit, dass nur Schulen mit mindestens vier Klassen pro Jahrgang ihren Schülern das Abitur anbieten können. „Für nachhaltig stabile Schulstrukturen brauchen wir realistische Maßstäbe“, sagte die Ministerin am Dienstag in Stuttgart. Die meisten Gemeinschaftsschüler müssen nach der zehnten Klasse an einen andere Schule wechseln, wenn sie die Fachhochschulreife oder das Abitur machen wollen.

Voraussetzung für die Genehmigung einer Oberstufe ist, dass in der elften Klasse mindestens 60 Schüler starten. Ob eine Schule diese Zahl erreichen kann, wird anhand verschiedener Kriterien ermittelt. Dabei spielen die eigenen Schüler eine zentrale Rolle. Das Ministerium geht davon aus, dass von den Neuntklässlern, die auf erweitertem Niveau lernen – das entspricht dem Gymnasialniveau – , 85 bis 95 Prozent das Abitur anstreben. Von den Schülern, die auf mittlerem Niveau lernen – dem der mittleren Reife – werden 30 bis 40 Prozent als mögliche Oberstufenschüler eingerechnet. Schüler auf dem grundlegenden Niveau werden nicht berücksichtigt.

Einbezogen in die Berechnung werden auch Schüler anderer Schulen. Eisenmann erwartet, dass von Werkrealschulen und Gymnasien nur einzelne Schüler an eine Gemeinschaftsschule wechseln, um dort Abitur zu machen. Bei den Realschülern können bis zu 15 Prozent berücksichtigt werden, bei den Gemeinschaftsschulen bis zu 80 Prozent.

Gemeinschaftsschulen fühlen sich ausgebremst

Der Verein für Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg kritisierte die neuen Vorgaben des Kultusministeriums. Eine Pauschalrechnung zur Zulassung von eigenen Oberstufen für die Gemeinschaftsschulen behindere deren Entwicklung, sagte der Vorsitzende, Matthias Wagner-Uhl. „Sie offenbart den vernichtenden Kurs, welcher zurzeit offensiv gegenüber der noch jungen Schulart eingeschlagen wird.“ Die Landtags-CDU lehnte die von Grün-Rot eingeführten Gemeinschaftsschulen ursprünglich ganz ab. Dem Berufsschullehrerverband dagegen sind die neuen Kriterien zu großzügig. Gymnasiale Oberstufen an Gemeinschaftsschulen dürften nur dann eingerichtet werden, „wenn im Rahmen der regionalen Schulentwicklung festgestellt wird, dass hierfür ein öffentliches Bedürfnis besteht“, forderte der Landesvorsitzende Herbert Huber. Dabei müssten die 223 beruflichen Gymnasien und 260 Berufskollegs berücksichtigt werden. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte, nun zeige sich, „in welchem Maß die Grünen die CDU bei den Koalitionsverhandlungen über den Tisch gezogen haben“. Oberstufen an Gemeinschaftsschulen seien „lediglich ein kostspieliges Prestigeprojekt der ehemaligen grün-roten Landesregierung und machen den beruflichen Gymnasien sinnlos Konkurrenz“.

Das Kultusministerium geht davon aus, dass in dieser Legislaturperiode höchstens zehn der knapp 300 Gemeinschaftsschulen eine eigene Oberstufe erhalten.