Promotionsberater kassieren viel Geld für oft nicht ganz legale Hilfen bei Dissertationen.

Stuttgart - Jedes Jahr promovieren in Deutschland mehr als 25.000 Akademiker. Nicht immer geht dem Doktortitel eigene Mühsal und Arbeit voraus. Bezahlte Helfer sorgen mitunter dafür, dass der Titelwunsch zum erhofften Ziel führt.

Sie nennen sich Promotionsberater oder akademische Ghostwriter. Über ihre Zahl und die ihrer Kunden ist wenig bekannt. Sie helfen gestressten oder intellektuell überforderten Akademikern, sich den Traum vom Doktortitel zu erfüllen. Wer es aus eigener Kraft nicht zum Dr. schafft, wird im Internet oder in Zeitungen schnell fündig. Google listet mehr als 7000 Treffer beim Stichwort "Promotionsberatung" auf.

Nicht alle sind so dreist wie "ein langjährig erfahrener Ghostwriter" aus Berlin, der "wissenschaftliche Studien und Dissertationen fast aller Fächer verfasst". Ein anderer erklärt auf seiner Homepage, wie "Sie dank Promotionsberatung sicher und mehr oder weniger legal durch einen Ghostwriter zur erfolgreichen Doktorarbeit kommen".

Ehrenwörtliche Erklärung über eigenständige Arbeit

Derartig ungeschminkte Aufforderungen zum Rechtsbruch sind in dem verschwiegenen Gewerbe eher die Ausnahme. Stets betonen die akademischen Heinzelmännchen, wie legal ihr Tun ist. In der Öffentlichkeit wollen sie sich lieber nicht dazu bekennen. "Unser Gespräch ist anonym", heißt es gleich zu Beginn eines jeden Telefonats.

Doktoranden müssen - genauso wie Dr. jur. Karl-Theodor zu Guttenberg - am Ende ihrer Dissertation in einer ehrenwörtlichen Erklärung versichern, dass sie die Arbeit eigenständig verfasst und keine anderen als die von ihnen angegebenen Hilfsmittel benutzt haben. Sollten sie die Dienste eines Promotionsberaters in Anspruch genommen haben, müssen sie diese angeben. Wie viele Promovenden den Titel mit unlauteren, sittenwidrigen und illegalen Mitteln erwerben, lässt sich nur mutmaßen. Manuel Theisen, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Münchener Universität, hat jahrelang gegen erschlichene Doktortitel gekämpft. Er geht davon aus, dass zwei bis drei Prozent der jährlich rund 25000 vergebenen Doktorhüte erschlichen sind.

"Das ist ein Riesenmarkt", betont auch Debora Weber-Wulff, Professorin für Internationale Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. "Die Leute kommen zum Berater und sagen: Ich brauche einen Doktortitel. Geben sie mir ein Thema, ich will so schnell wie möglich fertig sein." Mit Wissenschaft habe das nichts zu tun. Wer einen Promotionsberater engagiert, begibt sich in eine rechtliche Grauzone. Die Regelungen, was erlaubt ist und was nicht, legen die Hochschulgesetze der Länder und die Promotionsordnungen der Universitäten fest. Ein einheitliches Promotionsgesetz gibt es nicht. Generell gilt aber: Wer promovieren will, muss seinen Doktorvater von seiner Qualifikation und seinem Thema überzeugen. Diese Aufgabe kann niemand einem abnehmen. Doch genau damit werben die Promotionsberater.

Beim Honorar schweigt der Berater


"Es ist ein weites Feld, was ich meinen Kunden zur Verfügung stelle", sagt ein Promotionsberater aus Sachsen (Dr. habil.), der seit 1996 tätig ist, unserer Zeitung. Nachdem der Promovend "in Vorleistung gegangen" sei, stelle er den Kontakt zum Doktorvater her. Dann mache er Themenvorschläge, suche nach Literatur, kommentiere und ändere das Manuskript. "Ich versuche die Arbeit zu optimieren." Er selbst würde kein Wort schreiben, versichert der Berater, zu dessen Kunden Juristen, Ärzte, Manager gehören. "Der Inhalt stammt vom Doktoranden." Natürlich gebe es Leute, die "unseriös" arbeiteten. "Das kommt häufiger vor, weil man damit Geld verdienen kann." Was der Berater beschreibt, sind originäre Aufgaben des Doktorvaters, für die man keinen Externen braucht. Der Ordinarius soll die Dissertation inhaltlich, methodisch und didaktisch betreuen. "Betreuung heißt nicht, dass man sich einmal im Jahr zum Kaffee trifft", kritisiert Weber-Wulff. Die Arbeit querlesen und eine Note verteilen, sei zu wenig.

Beim Thema Honorar schweigt sich der Berater aus. Er beteuert aber, dass er weit weniger in Rechnung stelle als manche Kollegen, die bis zu 60000 Euro verlangten. "Bis zu so einer Spanne kann das gehen. Da sind weitreichende Hilfestellungen für diesen Preis inklusive." Wahrscheinlich lässt sich für weit weniger eine komplette Dissertation kaufen. Das vermutet auch der Sprecher des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Dr. Matthias Jaroch. "Für eine pure Vermittlung sind mehrere Tausend Euro ein viel zu hoher Preis", sagt er. "Es besteht der begründete Verdacht, dass nicht wenige Promotionsberater illegale ,Rundum-sorglos-Pakete' schnüren, die das Verfassen der Doktorarbeit und Absprachen mit dem jeweiligen Betreuer umfassen."

Promotionsbetrug ist keine Lappalie

Natürlich findet man niemanden, der die zwielichtige Praxis offen zugeben wird. Promotionsberater sind verschwiegene Dienstleister, Diskretion ist ihr wichtigstes Kapital. "Die Grenzen sind fließend", sagt ein anderer Berater mit Doktortitel aus Bayern. Er beteuert, seriös zu sein, weiß aber von schwarzen Schafen zu berichten, die "die Grenze überschreiten". Auch als Ghostwriter muss man entlohnt werden. Deshalb hält es der Dr. aus Bayern für angemessen, "jemanden, der eine Doktorarbeit schreibt, egal, ob das zulässig ist oder nicht, 20000 Euro zu zahlen". Allerdings sei die Qualität der Produkte meist erbärmlich. Zum Teil würden "billigste Plagiate angefertigt". Weil sich mancher Professor die Studien nur oberflächlich anschaue, habe man gute Chancen, mit einer "getürkten" Arbeit durchzukommen.

Juristisch ist der Promotionsbetrug keine Lappalie. Wer mit einem falschen Dr. handelt oder einen führt, wird nach Paragraf 132a Strafgesetzbuch mit Freiheitstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe belangt. Der Doktorhut wird aberkannt. 2009 flogen rund 100 Professoren aus ganz Deutschland auf, die mit einer Promotionsberatungsfirma krumme Geschäfte gemacht hatten. Gegen Bezahlung hatten sie Doktorhüte verkauft und die Aspiranten durch das Promotionsverfahren geschleust. Wenn ein Professor vom Berater Geld dafür bekommt, dass er einen Promoventen "richtig" betreut, werde es kriminell, so Weber-Wulff. "Es gibt nur wenige Fälle, die hochkommen, aber es ist davon auszugehen, dass der Universitätsbetrieb ein richtiger Sumpf ist."

Der DHV will die Berater am liebsten ganz verbannen. Nach einem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts können Hochschulen jede Einschaltung von Beratern verbieten. "Die Zusammenarbeit mit gewerblichen Promotionsberatern", fordert DHV-Präsident Prof. Dr. Bernhard Kempen, "muss an allen deutschen Universitäten ein Ausschlusskriterium sein."