Die Ursache des Güterwaggon-Unfalls in Feuerbach 2012 ist nicht geklärt Foto: dpa

Drei herrenlose Güterwaggons zerstören einen Bahnsteig des Bahnhofs Feuerbach – es gibt Millionenschaden. Nach dem Unglück vom 30. November 2012 wartet ein Anwohner noch immer auf eine Entschädigung durch die Bahn. Die sieht sich dazu nicht verpflichtet.

Stuttgart - Saygun Yurtdas hätte nicht geglaubt, dass sich daraus so eine Affäre entwickeln könnte. „Das glaubt keiner“, sagt der Mann, der im Bahnhofsgebäude von Feuerbach wohnt und im Erdgeschoss ein Reisebüro betreibt. Bei dem spektakulären Unglück vor einem Jahr, als drei Güterwaggons frühmorgens auf einem Bahnsteig einschlugen, war er mit dem Schrecken davongekommen. Nur sein Auto, unterhalb des Bahndamms vor einer Garage geparkt, war von Steinbrocken demoliert worden. Der Schrecken ist inzwischen Verärgerung gewichen: Yurtdas musste die Reparaturkosten seines Wagens über 11 500 Euro selbst regulieren – über seine Kaskoversicherung. „Das glaubt dir keiner“, sagt er.

Der weiße Range Rover, laut Yurtdas damals ein Jahr alt und über 80 000 Euro wert, steht wieder repariert im Schatten des provisorisch geflickten Bahnhofsgebäudes. Ein aus Holz gezimmertes Vordach, Absperrungen am Bahnsteig, die Außenfassade mit Brettern verstärkt. „Die Höhe des Gesamtschadens steht noch nicht fest“, sagt ein Bahn-Sprecher. Millionen seien es sicher.

Der Schaden am Wagen des Reisebürokaufmanns ist genauer beziffert. 11 500 Euro hat es gekostet, das demolierte Dach, die verbeulte Motorhaube, die zertrümmerte Scheibe, die Beulen an den Seiten verschwinden zu lassen und den Wagen wiederherzurichten. Die DB Netz als Inhaber der Schienenanlage will diese Summe aber nicht zahlen: Es sei kein Verschulden der DB Netz als Gleisbetreiber erkennbar, heißt es, und ohne Verursacher sei die Haftpflichtsumme begrenzt. Der Topf ist leer.

Irgendetwas muss schiefgelaufen sein auf dem Güterbahnhof im vier Kilometer entfernten Kornwestheim. Am frühen Morgen des 30. November 2012 waren drei mit Schienensträngen beladene Güterwaggons ins Rollen gekommen und ungehindert auf die abschüssige Schienenstrecke nach Stuttgart geraten. Ein Fahrdienstleiter des Stellwerks Zuffenhausen entdeckte die führerlosen Wagen. Um Schlimmeres zu verhindern, entschied er sich dafür, das Unheil am nächsten Bahnhof zu stoppen, indem er die Weichen auf Abstellgleis 1 a in Feuerbach stellte. Um 4.05 Uhr walzten die Wagen den Prellbock und 40 Meter Bahnsteig nieder.

Die Bundespolizei hat längst die über ein Dutzend DB-Mitarbeiter in Kornwestheim befragt, die in jener Nacht Dienst hatten. Ein konkreter Verdacht, so hieß es im Februar, habe sich nicht ergeben. „Wir warten noch immer auf das Gutachten der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle“, sagt Cora Thiele, Sprecherin der Bundespolizei.

Der Bahn-Sprecher verweist „auf rechtliche Grundlagen“. Auf das Haftpflichtgesetz, Paragraf 10: Solange kein Verursacher gefunden ist, haftet der Inhaber der Anlage, also die DB Netz, nur bis zum Betrag von 300 000 Euro. Übersteigt der Schaden diese Summe, werden die Entschädigungen im Verhältnis aufgeteilt. Ein für Saygun Yurtdas sehr ungünstiges Verhältnis. Seine 11 500 Euro spielen keine Rolle mehr.

Die DB Netz habe sich trotz unklarer Schuldfrage dennoch kulant gezeigt, betont der Bahn-Sprecher: „Es wurden die Kosten für einen Gutachter und den Mietwagen bezahlt“, sagt er, „über 6000 Euro.“ Die Bahn sehe den Fall damit als erledigt an. Außerdem sei dem Fahrzeughalter kein Schaden entstanden, weil seine Kaskoversicherung die Reparaturkosten übernommen habe.

Der Betroffene sieht das anders: Die Versicherung sei der letzte Ausweg gewesen, weil die Werkstatt nach ein paar Monaten berechtigterweise die Begleichung der Rechnung angemahnt habe. „Zum Glück habe ich eine Vollkaskoversicherung“, sagt Yurtdas. Freilich bleiben an ihm der Eigenanteil und eine Höherstufung des Schadenfreiheitsrabatts hängen. Eine Teilkasko, erklärt Alina Schön vom Gesamtverband Deutscher Versicherer, hätte einen solchen Schaden nicht übernommen. „Das kann jeden treffen“, sagt Yurtdas, „und da kann man finanziell schnell erledigt sein.“