Sollen die Heimatverbundenheit stärken: Kennzeichen von Landkreisen, die einst bei Verwaltungs- und Gebietsreformen abgeschafft wurden. Foto: Roland Schweizer/Hochschule Heilbronn

Der Heilbronner Professor Ralf Bochert gilt als einer der Wegbereiter für die Rückkehr der alten Autoschilder. Er nennt die Entscheidung des Bundesrats „sehr bürgernah“.

Berlin - Unterschiedlicher geht es kaum: Während der Bundestag am Freitag in Berlin wieder einmal eine Marathonsitzung mit mehr als 80 Tagesordnungspunkten abspulte, ging Ralf Bochert wandern. Trotzdem hatte der Hochschul-Professor wie viele andere den Punkt 81 auf dem Radar. Denn ziemlich am Ende seiner Sitzung musste der Bundesrat entscheiden, ob es bei den bisher zugelassenen Kfz-Kennzeichen in Deutschland bleibt oder ob weitere dazukommen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte zunächst eine Verordnung vorgelegt, die nicht nur die Wiederzulassung der Altkreis-Kennzeichen vorsah. Er ging noch einen Schritt weiter: Auch bisher noch nicht benutzte Buchstabenkombinationen sollten beantragt werden können. Sprich: Jede Kommune in Deutschland hätte dann theoretisch ihr eigenes Kfz-Kennzeichen haben können.

Das aber ging der Mehrheit der Bundesländer zu weit. Sie müssen die Verordnung umsetzen und gaben am Freitag nur grünes Licht für die Wiedereinführung der alten Kfz-Kennzeichen. Alte Landkreise, die im Zuge der Verwaltungsreform Anfang der 1970er Jahre abgeschafft wurden, erleben somit ein Comeback. Denn Autoschilder mit Buchstabenkombinationen wie LEO (Leonberg), VAI (Vaihingen/Enz), NT (Nürtingen) oder GD (Schwäbisch Gmünd) dürfen nun künftig wieder an den Autos angeschraubt werden. „Damit können die Menschen ihrer Verbundenheit zu ihrer Region auch auf Autokennzeichen Ausdruck geben“, sagt der Parlamentarische Verkehrsstaatssekretär Jan Mücke (FDP).

74 Prozent der Befragten wünschte sich die Rückkehr zu ihren Altkennzeichen

Niemand wird allerdings dazu gezwungen. Ob jemand in Leonberg beispielsweise sein bisheriges BB-Schild (BB steht für den Landkreis Böblingen) künftig durch ein LEO ersetzt, liegt im Ermessen des jeweiligen Autobesitzers. Wer allerdings aus Liebe zum alten Kennzeichen umsteigen will, muss rund 60 Euro für die Umkennzeichnung und ein Paar neue Schilder investieren, heißt es beim Böblinger Landratsamt.

Das Bundesverkehrsministerium geht davon aus, dass in Deutschland gut eine halbe Million Bundesbürger ihr zugelassenes Fahrzeug umkennzeichnen lassen. Die dafür anfallenden Kosten von rund 4,5 Millionen Euro würden durch die Gebühren aufgefangen. Das sieht der Landkreistag allerdings anders. Er befürchtet einen größeren Verwaltungsaufwand und kritisiert, dass ohne Not ein bislang stimmiges und überschaubares System aufgegeben werde.

Ins Rollen hatte die Schilderdebatte der aus Stuttgart stammende Professor Ralf Bochert gebracht. Mit Studenten der Hochschule Heilbronn hat er seit 2010 in 176 Städten gut 40.000 Menschen befragt. Ergebnis: 74 Prozent der Befragten wünschte sich die Rückkehr zu ihren Altkennzeichen.

„Das müssen wir auf Landesebene regeln. Sonst droht ein kommunalpolitisches Hickhack vor Ort“

Nun also wird dies möglich. Allerdings müssen sich die Baden-Württemberger noch etwas länger gedulden als die Bürger anderer Bundesländer. Denn viele Länder haben schon vorab geklärt, wie sie das künftige Zulassungsverfahren regeln. Sachsen und Thüringen wollen wieder alle alten Kennzeichen einführen. Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen überlassen diese Entscheidung ihren Landratsämtern.

Die SPD in Baden-Württemberg favorisiert eine Lösung, bei der das Verkehrsministerium regelt, welche Altkennzeichen im Südwesten ihre Auferstehung feiern dürfen. Fraktionschef Claus Schmiedel: „Das müssen wir auf Landesebene regeln. Sonst droht ein kommunalpolitisches Hickhack vor Ort.“ Ob das der grüne Koalitionspartner auch so sieht? Im Landesverkehrsministerium wird man sich erst jetzt daranmachen, auch für Baden-Württemberg eine entsprechende Verordnung auf den Weg zu bringen.