Auf den Wertstoffhöfen wie hier in Renningen wird auch Papier Foto: LKZ

Der Landkreis Böblingen hat einen langjährigen Rechtsstreit mit dem Betreiber des Grünen Punktes vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verloren. Das höchstrichterliche Urteil vom Donnerstag hat möglicherweise bundesweit Auswirkungen.

Böblingen/Leipzig - Der Landkreis Böblingen hat einen langjährigen Rechtsstreit mit dem Betreiber des Grünen Punktes vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verloren. Das höchstrichterliche Urteil vom Donnerstag hat möglicherweise bundesweit Auswirkungen. Die Richter des siebenten Senats haben die Regelung der Verpackungsverordnung, in der die Entgelte geregelt sind, die das Duale System Deutschland (DSD) an Kreise und Kommunen zu zahlen hat für die Nutzung von deren Sammelsystemen wie etwa für Altpapier, komplett für unwirksam erklärt.

„Das Ergebnis ist für uns sehr überraschend“, kommentiert Wolfgang Bagin, der Werkleiter des Böblinger Abfallwirtschaftsbetriebs, den Urteilsspruch. Mit der Entscheidung sieht er die Ansprüche an das DSD keineswegs verloren: „Wir werden nun in einem ersten Schritt versuchen, mit dem DSD eine außergerichtliche Einigung über die uns zustehende Vergütung für die erbrachten Leistungen bei der Altpapier-Entsorgung zu erzielen“, sagt Bagin. Denn das Duale System Deutschland braucht unter Verweis auf die Leipziger Gerichtsentscheidung vorerst keine Gebühren mehr an Kommunen und Landkreise für die Nutzung von deren Sammelsystemen zu zahlen.

Das war bisher der Fall. Genau daran hatte sich der Rechtsstreit entzündet. Erst wenn der Bundestag eine neue Regelung in der Verpackungsverordnung verabschiedet hat, die den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts entspricht, fielen für das DSD wieder Gebühren an. Die Leipziger Richter fanden es völlig unzureichend, dass in der entsprechenden Regelung der Verpackungsverordnung nur davon die Rede ist, dass die öffentliche Hand „ein angemessenes Entgelt“ für die Mitnutzung von Sammelsystemen verlangen kann, ohne näher zu beschreiben, wann ein Entgelt als angemessen zu gelten hat.

Diese Regelung verstößt nach Ansicht der obersten Verwaltungsrichter gegen das Grundgesetz. Die Vorschrift müsse so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen könne, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte. Der Abgabepflichtige ist in diesem Fall das Duale System Deutschland. Da die zurzeit gültige Regelung der Verpackungsverordnung keine Vorgaben über ein angemessenes Entgelt machen, ziehen die Bundesrichter den Schluss: „Dies führt zur Nichtigkeit der gesamten Regelung, denn Mitbenutzungs- und Entgeltanspruch sind untrennbar miteinander verbunden.“

Vor der für den Kreis überraschenden Leipziger Gerichtsentscheidung hatte Böblingen bei den Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg mehr Erfolg. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte im September 2010 Böblingen zum Teil recht gegeben, der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim im Juli 2012 auch. Die Richter dort hatten entschieden, dass das Duale System zahlen muss, wenn es die öffentlich-rechtlichen Sammelsysteme nutzt. Über die Höhe des Entgelts sollten sich – zusammengefasst – die Landkreise und das Duale System in Verhandlungen einigen.

Genau dies erschien den Bundesverwaltungsrichtern problematisch: „So entsteht der Fall, dass darüber verhandelt wird und dann, wenn keine Einigung erzielt wird, man auch nicht weiter weiß“, kritisierte Richter Nolte während der Verhandlung. Vertreter des Bundesumweltministeriums, die an der Verhandlung teilgenommen hatten, konnten mit ihren Erläuterungen zur Verpackungsverordnung die Bedenken der Bundesrichter nicht zerstreuen.

Nach dem Richterspruch ist nun der Gesetzgeber an der Reihe. So sieht das auch der Böblinger Landrat Roland Bernhard: „Der Verordnungsgeber ist nun gefordert, rasch nachzubessern.“ Für ihn zeige der Richterspruch, dass das Nebeneinander von Systembetreibern und öffentlichen Entsorgungsträgern nicht sinnvoll sei.