Die Gerlinger Stadträte diskutieren über mehr Bürgerbeteiligung. Foto: Pascal Thiel

Die Grünen wollen die Bürger stärker in die Ortsgestaltung einbinden. Die Ratsmehrheit sieht dafür keinen Bedarf – und der Gerlinger Bürgermeister reagiert in der Debatte verärgert.

Gerlingen - Die Fraktion der Gerlinger Grünen ist am Mittwoch im Gemeinderat gleich mit ihren beiden Anträgen gescheitert. Beide hatten im Kern dasselbe Ziel: Die Bürger sollten stärker bei der Gestaltung ihrer Stadt einbezogen werden. So beantragte die Fraktion einen Bürgerhaushalt. Zudem sollte eine Leitlinie für die informelle Bürgerbeteiligung erstellt werden. Beides sollte dazu beitragen, Demokratie auf lokaler Ebene zu stärken.

Dabei bot der Bürgerhaushalt weniger Anlass zur Diskussion. Die Verwaltung verwies ungeachtet einer inhaltlichen Bewertung auf den schwierigen Zeitpunkt: Die Stadt muss das neue kommunale Haushaltsrecht umsetzen. Ein Bürgerhaushalt beteiligt die Bürger an der Aufstellung des Plans mehr als gesetzlich erforderlich. Der Bürgermeister Georg Brenner wies darauf hin, dass die Räte jederzeit erneut einen Vorstoß machen könnten.

Verwaltung ist gegen neue Richtlinien

Die Fraktionschefin Ulrike Stegmaier hat überdies die Forderung einer Leitlinie für informelle Beteiligung begründet, in der Methoden und Umfang der Beteiligung benannt sind: In der parlamentarischen Demokratie habe sich eine Vertrauenslücke aufgetan zwischen den Bürgern und ihren Repräsentanten in den Parlamenten, so Stegmaier. „Die Wahlbeteiligungen gehen zurück, und in gleichem Maße nehmen Misstrauen und Proteste gegen Planungen und Entscheidungen von Politik und Verwaltung zu.“ Die Bürger könnten aber mehr als wählen, abstimmen oder protestieren. „Wenn Planungen und Entscheidungen zugute kommt, was Bürger können und wissen, schrumpft die Vertrauenslücke, und die Ergebnisse können besser werden.“

Die Notwendigkeit, Bürger für ihren Ort zu interessieren und sie zu beteiligen, stellte der Bürgermeister nicht in Abrede. Doch er sprach sich gegen den Antrag aus. „Was mir nicht gefällt, sind die Richtlinien.“ Die Stadt sei kreativ, innovativ, pragmatisch: „Muss ich das deshalb in Richtlinien fassen?“ Stegmaier entgegnete, dass es sich nicht um Richtlinien handle sondern um Leitlinien, die in einem Prozess erstellt würden.

Was in Gerlingen angewandt würde, seien „Methoden des letzten Jahrhunderts“. Es gebe inzwischen unterschiedliche Ansätze. Sie verwies auf die Stadt Stuttgart, die solche Leitlinien im April beschlossen habe. Zudem habe der Deutsche Städtetag Thesen zur Weiterentwicklung lokaler Demokratie aufgestellt. Die Notwendigkeit von Leitlinien leuchtete Brenner dennoch nicht ein. „Wir leben doch nicht hinterm Mond“, meinte er. Es ärgere ihn, fügte er an, wenn der Eindruck entstehe, die Verwaltung müsste dazu aufgefordert werden, in Bezug auf die Bürgerbeteiligung aktiv zu werden.

Projektgruppe geht an den Start – mit knapper Mehrheit

Der SPD-Rat Frank Moll versuchte, zu vermitteln: Die beiden Positionen lägen nicht so weit auseinander, meinte er. Am Ende schaltete sich dann Stegmaiers Fraktionskollege Ewald Bischoff ein: „Ich habe den Eindruck, Sie fassen das auf als Kritik an Ihrer Arbeit. Das ist nicht der Fall“, wandte er sich an Brenner. Es gehe vielmehr darum, als Stadt offen für die Zukunft zu sein.

Nachdem der Grünen-Antrag deutlich abgelehnt wurde, stand ein Verwaltungsvorschlag zur Abstimmung. Eine Projektgruppe aus Ratsmitgliedern soll die Bürgerbeteiligung fortentwickeln. Der Ältestenrat wird sich damit befassen. Doch auch die Notwendigkeit der Projektgruppe wurde von etlichen Räten angezweifelt: Die Mehrheit dafür war bei elf zu neun Stimmen und einer Enthaltung denkbar knapp.