Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir diskutieren. Foto: dpa

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt haben ihre Sondierungsmannschaft zusammengestellt. Baden-Württemberg ist dabei stark vertreten.

Berlin - Nach zwölf Jahren in der Opposition haben die Grünen schon in der Vorbereitung des Wahlkampfs alles dafür getan, um die Voraussetzungen für eine Regierungsbeteiligung zu schaffen. Nach der Wahl ist die Lage mit der Aussicht auf eine Jamaikakoalition als einzige Machtoption zwar schwieriger als erhofft, aber dass ihre Partei für die Verhandlungen startklar ist, dafür haben die beiden Spitzen-Grünen Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt schnell gesorgt.

Noch bevor das Telefon geklingelt und die christdemokratische Kanzlerin Angela Merkel die Grünen auch offiziell zu Gesprächen über die Anbahnung einer künftigen Regierung eingeladen hat, haben Özdemir und Göring-Eckardt Nägel mit Köpfen gemacht. Ihre 14-köpfige Sondierungsrunde steht und ist vom Parteivorstand abgesegnet. Am Samstag wird ein Länderrat diese Vorentscheidung noch einmal bestätigen und den Sondierungsauftrag offiziell machen. Özdemir und Göring-Eckardt haben ein sorgfältig austariertes Team zusammengestellt, in dem neben der Partei- und Fraktionsspitze, Realos und Linke, Altgediente und neue Gesichter sowie die wichtigsten Ländervertreter mit dabei sind.

Die Südwest-Grünen sind bei der Sondierung zahlenstark vertreten

Die Südwest-Grünen, die sich schon darüber freuen können, in der neuen Bundestagsfraktion mit neuerdings 13 Abgeordneten die größte Landesgruppe (vor dem bisherigen Spitzenreiter Nordrhein-Westfalen mit zwölf Parlamentariern) zu stellen, sind auch bei der Sondierung prominent und zahlenstark vertreten. Natürlich hat Parteichef und Spitzenkandidat Özdemir den bundesweit populärsten Regierungsgrünen und einzigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ins Team geholt, schon weil der einen belastbaren Draht zu seinem bayerischen Kollegen Horst Seehofer hat und damit zur Trumpfkarte werden kann, wenn später um die entscheidenden Passagen des Regierungsprogramms gepokert und gestritten wird. Darüber hinaus ist Agnieszka Brugger – Friedens- und Sicherheitspolitikerin, Parteilinke und eines der jüngeren Gesichter – mit am Tisch. Sie kann sich durch die Berufung zur Unterhändlerin als Zukunftshoffnung der Partei geadelt sehen. Und auch wenn der EU-Parlamentarier und langjährige Bundesparteichef Reinhard Bütikofer mittlerweile offiziell dem Landesverband Berlin angehört, ist der gebürtige Mannheimer und im Südwesten sozialisierte Realo ein Schwergewicht, das die Landesgrünen gefühlt und konzeptionell für sich reklamieren können.

Natürlich ist auch Schleswig-Holsteins Vizeministerpräsident Robert Habeck als einziger Grüner mit echter Jamaikaerfahrung gesetzt gewesen. Er regiert seit wenigen Monaten an der Küste mit FDP und Union und bringt praxiserprobte Verhandlungsstrategien und Popularität in die Mannschaft mit ein. Wichtige Funktionen sind auch Fraktionschef Toni Hofreiter und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth zugedacht. Dabei geht es nicht in erster Linie um ihre Bayern-Kompetenz, die bei den Gesprächen mit der Union auch willkommen ist. Entscheidend ist, dass ihnen eine große Integrationskraft bei der Einbindung des linken Flügels zugetraut wird.

Über Jamaika reden wollen alle ernsthaft und verantwortungsvoll

Dass dort wahrscheinlich die größten Vorbehalte gegen Jamaika ausgeräumt werden müssen, liegt auf der Hand. Dass Jürgen Trittin, der als Aushängeschild des linken Flügels gilt, mit sondiert, kommt überraschend. Ihn wollte mindestens Katrin Göring-Eckardt zeitweise nicht unter den Unterhändlern sehen. Bei seiner Berufung gehen die Interpretationen auseinander: Ob er benannt wurde, weil er ein mit allen Wassern gewaschener Verhandler ist, der in der Kommission über die Atomausstiegsfinanzierung sogar mit den Energiekonzernen einen Kompromiss gefunden hat, ob er die Skeptiker auf der Linken überzeugen helfen soll oder als potenziell lautstarker Kritiker eingebunden und neutralisiert werden sollte. Über Jamaika reden wollen alle 14 grünen Unterhändler jedenfalls ernsthaft und verantwortungsvoll, mit dem Willen, aber ohne einen Zwang zur Einigung.

Auch wenn Winfried Kretschmann und Jürgen Trittin als Antipoden in der Partei gelten, ließ Kretschmann sich in Stuttgart am Mittwoch kein böses Wort über den Mitunterhändler entlocken. „Ich bewerte das erst mal nicht, er ist einfach dabei“, sagte der Regierungschef gelassen. Er erwartet schwierige Verhandlungen bei vielen schwierigen Themen. „Aber die Politik ist dazu da, schwierige Probleme zu lösen, leichte lösen sich von alleine.“