Den Nationalpark Schwarzwald verbucht Grün-Rot auf der Haben-Seite Foto: dpa

Normalerweise watscht die Opposition die Regierung ab. Doch es geht auch umgekehrt. In der Debatte darüber, wer am meisten für die Artenvielfalt tut, gerieten CDU und FDP jetzt im Landtag in die Defensive.

Normalerweise watscht die Opposition die Regierung ab. Doch es geht auch umgekehrt. In der Debatte darüber, wer am meisten für die Artenvielfalt tut, gerieten CDU und FDP jetzt im Landtag in die Defensive.

Stuttgart - In einer Debatte zum Naturschutz hat die grün-rote Regierungskoalition die Opposition unerwartet heftig angegriffen und ihr Heuchelei und Scheinheiligkeit vorgeworfen. Wer den Naturschutz nur in Sonntagsreden hochhalte, sich ansonsten aber als „hemmungsloser Lobbyist“ von Wirtschaftsinteressen zeige, dem müsse man im Landtag den Spiegel vorhalten, sagte der Minister für ländlichen Raum, Alexander Bonde (Grüne).

Der Grünen-Umweltpolitiker Markus Rösler hieb in dieselbe Kerbe und warf CDU und FDP vor, sie bekämpften in den Kommunen massiv das Bemühen, den Flächenverbrauch einzudämmen. Im Südschwarzwald wiederum, wo ein neues Großschutzgebiet – ein sogenanntes Biosphärenreservat – entstehen soll, sei sein CDU-Kollege Patrick Rapp „kritisch bis ablehnend“ unterwegs. Die Umweltverbände kommentierten die Naturschutzpolitik der CDU ohnehin negativ, sagte Rösler.

Besonders aufgebracht reagierte Bonde auf den Vorwurf des FDP-Abgeordneten Friedrich Bullinger, Grün-Rot wolle das Schulfach Biologie in der fünften und sechsten Klasse abschaffen. „Wer den Naturschutz Ernst nimmt, setzt nicht permanent solche Gerüchte in die Welt, die er durch nichts belegen kann“, sagte der Grünen-Minister und nannte dies eine „billige Kampagne“.

In den Oppositionsreihen erntete Bonde damit Kopfschütteln: „Wir stellen eine erhöhte Aggressivität in Ihrem Verhalten fest“, warf der CDU-Abgeordnete Karl Rombach ein und gab zu bedenken, dass auch sehr viele Landwirte zum Naturschutz beitrügen. Mit seiner rüden Tonlage fördere Bonde nicht gerade die Bereitschaft der Bauern, freiwillige Naturschutzarbeit zu leisten.

Auch sein Fraktionskollege Rapp fühlte sich zu Unrecht angegriffen und sogar „menschlich enttäuscht“. Sein Grünen-Gegenspieler Rösler habe zum Thema Biosphärengebiet überhaupt noch nicht mit ihm geredet.Rapp: „Man sollte gemeinsam für den Naturschutz kämpfen, und sich nicht gegenseitig Vorwürfe machen.“ Diese Arbeit sei weder grün noch rot, sondern habe überhaupt keine politische Farbe. Eigentlich sei Naturschutz ein Konsensthema.

Bonde entgegnete, er respektiere Rombachs Beitrag zum Umweltschutz als Landwirt, doch leider korrespondiere das nicht mit dessen Abstimmungsverhalten im Parlament. Er spielte damit unter anderem auf die Haltung der CDU-Fraktion zum Nationalpark Schwarzwald an, den die Christdemokraten im Landtag ablehnten.

Der Naturschutz sei von Grün-Rot ins Zentrum der Landespolitik zurück geholt worden, sagte Bonde und verwies auf die 2013 verabschiedete Naturschutzstrategie. Biologische Vielfalt sei „der Kern regionaler Identität und der Kern von Heimat“. Die Zahl der Arten nehme aber immer mehr ab – ob es sich nun um Feldhamster, um die Feldlerche oder um den Laubfrosch handele. Bonde: „Uns lässt das nicht ruhen, wir haben die Verantwortung, dass auch noch unsere Kinder den Laubfrosch sehen“. Deshalb verdopple sich der Naturschutzetat bis 2016 von 30 auf 60 Millionen Euro.

Die Opposition erkennt dies an, vermisst aber in der grün-roten Naturschutzpolitik die Beteiligung der lokalen Bevölkerung. Man könne noch so viele Großschutzgebiete ausweisen, sagte der CDU-Abgeordnete Rapp – doch wenn das Bachbett im Dorf nicht saniert werde, wenn Land- und Forstwirte oder Winzer nicht mitgenommen würden, könne Naturschutz nicht funktionieren. Großschutzgebiete wie der Nationalpark seien eine Art „Ablasshandel“, um das Gewissen zu beruhigen.

Sein FDP-Kollege Bullinger forderte mit Blick auf den Bau neuer Winderäder, nicht nur dem Natur- und Klimaschutz, sondern von Fall zu Fall auch dem Landschaftsschutz Vorrang einzuräumen. Außerdem fehle noch immer eine Konzeption, wie das Land die Streuobstwiesen schützen wolle.

Der Nabu, größter Umweltverband im Land, kommentierte die Debatte betont ausgleichend. Baden-Württembergs Naturschutzstrategie sei die beste und ambitionierteste in ganz Deutschland, sagte Nabu-Landeschef André Baumann: „Peter Hauk hat die Strategie als Naturschutzminister angestoßen und Minister Bonde hat sie jetzt erfolgreich vollendet.“ Dies zeige, dass Naturschutz nicht grün, rot, schwarz oder gelb sei, sondern richtig.

Die Opposition ordnet Baumann dennoch klar im Grünen-Lager ein, denn Bullinger sagte, der Nabu-Landeschef gehe in Bondes Ministerium aus und ein. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatte den Nationalpark einmal als „Nabu-Park“ bezeichnet.