Das Handwerk sorgt sich um kleine Bäckereien mit Sitzgelegenheit - die neue Landesbauordnung könnte hier dazwischenfunken Foto: dpa

Müssen alle Fassaden von Neubauten künftig begrünt werden? Und müssen alle Bäckereien mit Stühlen künftig barrierefrei sein? Die neue Landesbauordnung wirft noch viele Fragen auf.

Stuttgart - Den Bürger mitnehmen – diesem eigenen Anspruch wird die grün-rote Landesregierung bereits beim Formulieren von Gesetzestexten oft nicht gerecht. Die neue Landesbauordnung (LBO), an der das Haus von Verkehrs- und Infrastrukturminister Winfried Hermann (Grüne) bereits seit längerem tüftelt, ist ein gutes Beispiel dafür. Unklare Formulierungen – ob bewusst oder unbewusst – sorgen immer wieder für Missverständnisse und unnötige Empörung.

So ist es auch bei der angeblichen „Zwangsbegrünung“, die das Land für alle Fassaden und Flachdächer plant. Laut den Interessensvertretern der Hausbesitzer und der Immobilienwirtschaft wird diese Vorschrift das Bauen neuer Häuser erheblich verteuern. Bei der Anhörung zur neuen LBO im Landtag am Mittwoch waren die Kosten für das Anbringen von geeigneten Haken für Kletterpflanzen ein großes Thema.

Wörtlich heißt es im Entwurf der Regierung: „Ist eine Begrünung oder Bepflanzung der Grundstücke nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, so sind die baulichen Anlagen zu begrünen, soweit ihre Beschaffenheit, Konstruktion und Gestaltung es zulassen und die Maßnahme wirtschaftlich zumutbar ist.“ Laut Hermanns Sprecher hat das Ganze, das sich an die Bauämter in den Kommunen richtet, allerdings „eher empfehlenden Charakter“. Von einer Zwangsbegrünung könne keine Rede sein.

Unklarheit herrscht weiterhin auch in Sachen Barrierefreiheit: Laut dem baden-württembergischen Handwerkstag plant das Land hier Verschärfungen, die dafür sorgen werden, dass kleinere Bäckereien, die ihren Kunden auch Gelegenheit zum Sitzen und Kaffeetrinken bieten, mittelfristig aussterben werden.

Bäckereien mit Sitzgelegenheiten gelten nach dem Baurecht als Gaststätten und müssen daher vollständig barrierefrei sein. Dies gilt insbesondere für die Toiletten. Laut Handwerkstag ist es in der Praxis bislang aber so, dass Ausnahmen dann zugelassen werden, wenn eine barrierefreie Toilette Mehrkosten von über 20 Prozent Vergleich zu einer nicht-barrierefreien Toilette verursacht. Auch lasse die Verwaltung bei weniger als 15 Sitzplätzen in der Regel ohne weiteres Ausnahmen zu. Diese Handhabung habe sich bewährt, sagte die Abteilungsleiterin Recht beim baden-württembergischen Handwerkstag, Thanh-Mai Winkler, am Mittwoch bei der Anhörung. Das Land wolle die Regeln nun aber verschärfen.

Laut dem LBO-Entwurf sollen die Bauämter vor Ort solche Ausnahmen künftig nur noch „im Einzelfall“ genehmigen. Das aber werde vor allem auf dem Land, wo solche Bäckereien mit Cafes nicht sehr viel Kundschaft haben, dafür sorgen, dass solche Einrichtungen nicht mehr rentabel zu betreiben seien. Ob die Juristin Winkler damit den Gesetzestext richtig interpretiert hat, konnte Hermanns Ministerium am Mittwoch nicht sagen. Einhelliger Tenor der Anhörung war, dass sich das Bauen und damit auch das Wohnen durch die neue Landesbauordnung weiter verteuern wird. Um die Mieten trotzdem in einem erträglichen Rahmen zu halten, steuert die schwarz-rote Bundesregierung mit Zwangsmaßnahmen dagegen.

Am Mittwoch wurde in Berlin die Mietpreisbremse beschlossen. Wann und wo genau diese im Land greifen soll, ist aber ebenfalls noch unklar. Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) sagte, bis zum Frühjahr kommenden Jahres sollten die entsprechenden Rechtsverordnungen erlassen werden.

Bei Neuvermietungen in besonders begehrten Gegenden darf die Miete nach der Mietpreisbremse künftig das ortsübliche Niveau nur noch um maximal zehn Prozent übersteigen. Ausgenommen sind Neubauten und umfassend modernisierte Wohnungen. Die Mietpreisbremse soll nur in Gebieten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ gelten. Ausgewählt werden diese Gebiete von den Bundesländern für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren. Schmid sagte, dies sei ein Durchbruch für bezahlbare Mieten. „Und wir gehen in Baden-Württemberg noch einen Schritt weiter: mit der geplanten Kappungsgrenze deckeln wir Mieterhöhungen auch in bestehenden Mietverhältnissen.“