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Rund 850 Millionen Euro hat die EnBW der Atomausstieg gekostet. Das Geld hätte man gerne vom Bund wieder. Doch der eigene Großaktionär, das Land Baden-Württemberg, hat was dagegen.

Stuttgart/Berlin - Es herrscht mal wieder Spannung zwischen der grün-roten Landesregierung und dem Karlsruher Energiekonzern. Und dies, obwohl beide im Streit um Schadensersatz für den Atomausstieg gar nicht in vorderster Front stehen. Die EnBW hat formale Gründe vorgeschoben, um sich der milliardenschweren Verfassungsbeschwerde der Konzerne RWE, Eon und Vattenfall nicht anschließen zu müssen. Und auch das Land könnte sich vornehm zurück halten – Beklagter in Karlsruhe ist schließlich die schwarz-gelbe Bundesregierung.

Aber vor allem die Grünen wollten offenbar ein politisches Zeichen setzen. Deshalb tritt das Land – gemeinsam mit Schleswig-Holstein – dem Verfahren in Karlsruhe bei, deshalb soll am Dienstag im Landeskabinett eine Stellungnahme verabschiedet werden, die dann bei Gericht eingereicht werden soll. Es sei angestrebt, so ein Sprecher des Gerichts, dass der Fall dieses Jahr verhandelt und entschieden werde.

Auf 850 Millionen Euro beziffert der Konzern die Verluste

In der Stellungnahme des Landes heißt es, dass die Schadensersatzforderungen der Energiekonzerne – von insgesamt 15 Milliarden Euro ist die Rede – unbegründet seien. Das sieht der eigene Energieversorger allerdings völlig anders. „Die EnBW teilt ausdrücklich die Rechtsauffassung von Eon, RWE und Vattenfall“, teilte der Konzern bereits im Juli letzten Jahres mit. In der Erklärung verleiht die EnBW auch ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sie nach einer erfolgreicher Verfassungsklage der Konkurrenten ebenfalls vor den Zivilgerichten Schadensersatz erstreiten kann. Auf 850 Millionen Euro beziffert der Konzern die Verluste durch das vorzeitige Abschalten der Kernkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim I.

Verantwortlich für das Vorhaben, in dem Streit Partei zu ergreifen, ist Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Sein Sprecher bestätigt den Sachverhalt, will sich aber zu Details nicht äußern. Der Koalitionspartner SPD scheint mit wenig Begeisterung dabei zu sein. Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) verweist auf Anfrage darauf, dass man fachlich nicht zuständig sei und es deshalb auch nicht nötig gewesen sei „dass das Wirtschafts- und Finanzministerium die Kabinettsvorlage über die Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde unterzeichnet“. Recht unterkühlt auch die Reaktion aus der EnBW: „Wir können zu den Plänen der Landesregierung nichts sagen, weil wir davon bisher nichts wussten“, erklärte ein Konzernsprecher.

„Eigentlich sind alle Unternehmen gezwungen zu klagen.“

Der Atomausstieg war von der Regierung Merkel im März 2011 beschlossen worden – unter dem Eindruck eines Erdbebens samt Tsunami in Japan, durch das mehrere Kernkraftblöcke nahe des Küstenortes Fukushima außer Kontrolle gerieten. Die erst im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche Atommeiler wurde rückgängig gemacht. Statt dessen mussten die Energieversorger acht Kernkraftwerke sofort abschalten, die übrigen neun müssen in den Jahren 2015 bis 2022 vom Netz.

Dr renommierte Hamburger Wirtschaftsrechtler Michael Adams sagte unserer Zeitung, das Land befinde sich in einer „problematischen Position“. Politische Absichten kollidierten mit den Interessen, die das Land als EnBW-Hauptaktionär zu vertreten habe.

Dass sich die EnBW der Verfassungsklage nicht angeschlossen habe, bezeichnete Adams als unverständlich. „Eigentlich sind alle Unternehmen gezwungen zu klagen.“ Immerhin koste der Ausstieg die Firmen Milliarden von Euro. Aktienrechtlich seien Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet, alles zu tun, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Dass sich die EnBW dagegen entschieden habe, laufe „ganz schnell an Untreue heran“, sagte Adams, der an der Universität Hamburg Wirtschaftsrecht lehrt.

Dass sich das Land in Sachen Atomausstieg jetzt auf die Seite des Bundes stellt, hält Adams für legitim. „Darin sehe ich kein Problem“, sagte er. Aufgabe der Regierung sei es, ihre politischen Interessen zu vertreten. Zu einer Vermischung mit den Interessen der EnBW dürfe es dabei aber nicht kommen. Diese bestünden darin, Geld zu verdienen, und nicht, die Welt zu verbessern.