Raci (links) und Sertac Dede vor ihrer Tankstelle am Stuttgarter Großmarkt. Ende Januar ist nach mehr als 25 Jahren für den Familienbetrieb hier Schluss. Foto: Peter Petsch

Seit einem Vierteljahrhundert betreibt die Familie Dede auf städtischem Grund am Großmarkt Tankstelle, Laden und Werkstatt. Einen großen Umbau zum ökologisch orientierten Betrieb wollte sie stemmen. Doch daraus wird nichts. Künftig fließt der Sprit aus Automaten.

Seit einem Vierteljahrhundert betreibt die Familie Dede auf städtischem Grund am Großmarkt Tankstelle, Laden und Werkstatt. Einen großen Umbau zum ökologisch orientierten Betrieb wollte sie stemmen. Doch daraus wird nichts. Künftig fließt der Sprit aus Automaten.

Stuttgart - Die Stimmung in der freien Tankstelle auf dem großen Parkplatz gegenüber der Großmarkt-Einfahrt ist aufgeheizt. Die Kunden, die Benzin bezahlen, einen Kaffee trinken oder ihr Auto zur Reparatur bringen, sind aufgebracht. „Sauerei“ ist noch das harmloseste Wort, das da in Richtung der Stuttgarter Stadtverwaltung geschleudert wird. Die meisten hier sind Stammkunden vom Großmarkt, man kennt sich seit vielen Jahren. Es hat sich längst herumgesprochen, dass die Familie Dede ihren Betrieb Ende Januar schließen muss.

„Eigentlich wollten wir demnächst mit unseren Kunden ein Fest zum 25-Jahr-Jubiläum feiern“, sagt Seniorchef Raci Dede. Doch das ist abgesagt. Der Vertrag der Familie ist nicht verlängert worden. Ihr gehört zwar die Tankstelle, nicht aber der Grund, auf dem sie steht. Der ist seit Jahrzehnten von der Stadt gepachtet. Und die orientiert sich neu. Künftig soll direkt nebenan auf demselben Parkplatz eine vollautomatisierte Avia-Tankstelle ohne Shop, Werkstatt und Personal die Kunden versorgen.

Das bringt die bisherigen Betreiber auf die Palme. Eines Tages seien plötzlich Interessenten aufgetaucht, um das Gelände zu besichtigen, erinnert sich Dede. Erst da habe er erfahren, dass die Stadt eine neue Tankstelle ausgeschrieben habe. Er habe sich daraufhin mit einem ökologischen Konzept beworben. „Wir wollten alles umbauen. Mit einer Solaranlage für 45 000 Euro auf dem Dach, Gas- und Stromtankstelle“, sagt der Sohn Sertac. Doch den Zuschlag habe der Konkurrent bekommen. Man habe von Anfang an keine Chance gehabt.

Bisheriger Betrieb nicht mehr zeitgemäß

Das sieht die Märkte Stuttgart GmbH anders. „Wir haben mehrfach Gespräche mit der Familie Dede geführt und ihr gesagt, dass wir ein neues Konzept und einen neuen Standort brauchen“, sagt Geschäftsführer Axel Heger. Der bisherige Betrieb sei nicht mehr zeitgemäß. Unter den zahlreichen Bewerbungen sei die der Familie unter den letzten vier gewesen. Man habe sich aber für die Automatentankstelle entschieden, weil sie weniger Fläche benötige und der Kraftstoff für die Kunden dort günstiger sei.

Was aus der alten Tankstelle wird, die der Familie gehört? Sertac Dede will sie einfach stehen lassen – aber so, dass sie danach nicht mehr von der benachbarten Konkurrenz benutzt werden kann. Heger dagegen verweist darauf, dass die Familie die alten Gebäude laut Vertrag abreißen lassen müsste. Das jedoch könne die Stadt übernehmen, um der Familie die Kosten zu ersparen.

Auch der Aufsichtsrat der Marktgesellschaft hat am Verfahren nichts auszusetzen. „Alles ist völlig korrekt und transparent gelaufen“, sagt dessen Vorsitzender, der Erste Bürgermeister Michael Föll. Die Tankstelle sei ausgeschrieben worden, auch der bisherige Betreiber habe die Gelegenheit gehabt, sich zu bewerben. Man habe aber das Angebot mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis auswählen müssen.

Die Familie Dede sieht das anders. Über das Verhalten der Stadt schüttelt sie nur noch den Kopf. Von der Wirtschaftsförderung bis hin zum Oberbürgermeister sei keine Hilfe gekommen. Auch keine Alternativstandorte seien angeboten worden. Man habe nur Ausflüchte gehört, so Sertac Dede: „Die treffen eine solch existenzvernichtende Entscheidung und stehen noch nicht einmal dazu.“ Eifriges Nicken im Kreis der Stammkunden. „Das gibt’s doch gar nicht. Ihr dürft hier nicht weg“, sagt einer. Das Fest fällt aus.