Eine Stimme für die Schwachen und Wehrlosen in der Gesellschaft: Wolfgang Sartorius. Foto: Stoppel/Archiv

Die Erlacher Höhe gibt ein Buch zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche und den Folgen heraus. Wolfgang Sartorius, der Vorstand des Sozialunternehmens, sieht eine Chance für die Reform der Hartz-IV-Reform.

Großerlach - Die optimistische Einschätzung zuerst: „Ich bin überzeugt, dass sich in der Sozialgesetzgebung bis zur Bundestagswahl etwas tut, und zwar zum Besseren“, sagt Wolfgang Sartorius, Vorstand des Sozialunternehmens Erlacher Höhe und neben Hans-Ulrich Weth Herausgeber des Buches „Rechtsstaat, Markt und Menschenwürde“, das jetzt im Buchhandel erschienen ist. Der Sammelband ist von mehreren Autorinnen und Autoren geschrieben worden, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise mit den Themen Armut, Arbeitslosigkeit und Migration befassen. Die Publikation ist Teil einer Reihe von Veranstaltungen zum 125-jährigen Bestehen der Erlacher Höhe.

Dramatische Ausbreitung prekärer Lebenslagen

„Die Hartz-IV-Gesetze müssen dringend reformiert werden“, sagt Sartorius, der selbst ein Kapitel des Buches geschrieben hat. Um zu verhindern, dass die Betroffenen jenen in die Arme getrieben werden, die einfache Lösungen predigen, sei eine Reform unbedingt notwendig. Angesichts der momentanen politischen Konstellationen habe er allen Grund zu diesem Optimismus. Die Politik müsse gegensteuern, um nationalistischen Bestrebungen paroli bieten zu können. „Meiner Meinung nach steht die Europäische Union zurzeit vor der größten Herausforderung seit ihrer Gründung“, so Sartorius.

Das Buch hat ein gemeinsames Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1997 als Basis. Unter dem Titel „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ wurden die Anforderungen an einen demokratischen Rechts- und Sozialstaat definiert. Die darin formulierten Ansprüche werden nun überprüft. Die Rahmenbedingungen in der Sozialpolitik hätten sich seitdem in einigen Hinsichten gewandelt. „Während sich 1997 die anhaltende Massenarbeitslosigkeit in Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der EU als drängendste politische, wirtschaftliche und soziale Herausforderung darstellte, liegt die Arbeitslosenquote in Deutschland – nicht in allen EU-Staaten – aktuell auf einem historischen Tiefstand“, heißt es in der Einleitung des Buches.

Allerdings müsse festgestellt werden, dass sich durch den Paradigmenwechsel hin zum „aktivierenden Sozialstaat“ Armut und prekäre Lebenslagen in Deutschland dramatisch ausbreiteten. „Der Mittelstandsbauch ist weg, während ein erheblicher Teil der erwerbstätigen Bevölkerung unter der Armutsgrenze liegt“, sagt Sartorius. Gleichzeitig erlebe man eine „extreme Kumulation“ des Reichtums an der Spitze dieser Bevölkerungspyramide. Nicht nur die soziale Polarisierung nehme zu, auch zwischen den Regionen in Deutschland und der EU würden die Gräben tiefer.

Unterschiedliche Ansätze, ein gemeinsames Ziel

So unterschiedlich die Autoren auch von ihrer professionellen Herkunft sind – aus dem „Kern der Diakonie“ wie der Theologe und Vorsitzende des Diakonischen Werkes Württemberg Dieter Kaufmann bis hin zu Juristen wie Peter Masuch, dem Präsidenten des Bundessozialgerichts – es eint sie ein Orientierungspunkt: die Achtung der Menschenwürde und der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die Herangehensweise an das Thema ist von Autor zu Autor verschieden. Direkt aus der Praxis berichtet Bettina Wilhelm, Sozialbürgermeisterin der Stadt Schwäbisch Hall. Sie schreibt über Erfahrungen im Umgang mit bettelnden Menschen aus Osteuropa.