Bundespolizisten nehmen in Norderstedt einen 29-Jährigen fest. Foto: Bundespolizei

Täglich werden bundesweit etwa 110 000 Online-Bahntickets verkauft – Tendenz steigend. Das lockt Gauner zum Missbrauch: Sie bieten über Internetportale betrügerisch besorgte Fahrkarten zu Schnäppchenpreisen an. Jetzt ist eine zehnköpfige Bande aufgeflogen.

Möglingen/Hemmingen - Steffen Nölke ist zufrieden mit der Großrazzia. „In allen Wohnungen haben wir reichlich Beweismittel gefunden“, sagt der Sprecher der Bundespolizei, die von Halle in Sachsen-Anhalt aus auch im Raum Stuttgart zugeschlagen hat. Am Mittwoch ist eine bundesweit agierende Betrügerbande aufgeflogen, die Onlinetickets der Bahn AG mit gestohlenen Kreditkartendaten besorgt und weiterverkauft haben soll. Der Schaden wird von den Ermittlern auf 200 000 Euro geschätzt.

Bei den zehn Tatverdächtigen handelt es sich um eine Gruppe von Schwarzafrikanern aus Ghana, Togo und Benin, deren Mitglieder vor allem im Raum Hamburg und Stuttgart vermeintliche Online-Schnäppchen an Bahnreisende vertrieben haben sollen. Die Spur der Stuttgarter Filiale führte die Ermittler der Bundespolizei aus Halle unter anderem zu zwei Wohnungen im Landkreis Ludwigsburg.

In Hemmingen und Möglingen wurden zwei 28 und 37 Jahre alte Männer völlig überrascht. „Dort wurden mobile Kommunikationsmittel und Datenträger sichergestellt“, sagt Polizeisprecher Nölke. Die beiden Tatverdächtigen bleiben allerdings auf freiem Fuß.

Einer der Bandenchefs ist auf der Flucht

Einer der mutmaßlichen Köpfe der Bande, ein 24-Jähriger, ist allerdings spurlos verschwunden. Er soll sich irgendwo im Bundesgebiet aufhalten. „Wir fahnden nach ihm mit Haftbefehl“, sagt Nölke. In Norderstedt in Schleswig-Holstein wurde dagegen ein 29-Jähriger abgeführt, der anschließend in Untersuchungshaft landete. 130 Beamte der Bundespolizei waren an der Großaktion beteiligt. Für die Ermittler ein klares Signal: „Wir zeigen damit, dass das Internet kein rechtsfreier Raum für Betrüger ist“, heißt es in einer Mitteilung.

Man könnte dennoch diesen Eindruck gewinnen, denn die Täter haben offenbar leichtes Spiel. Ein Gerichtsprozess in Hannover gegen eine andere Bande veranschaulicht die einfache Vorgehensweise. Auf den illegalen Marktplätzen im Internet werden gestohlene Kreditkarteninformationen billig gekauft, für angeblich zwei Euro pro Kartensatz, wie einer der Angeklagten berichtete. Und auf Verkaufsportalen oder Webseiten für Fahrgemeinschaften werden Tickets zum halben Preis angeboten. Interessierte Bahnreisende schicken ihre Reisedaten und persönliche Angaben an fingierte E-Mail-Adressen – und die Betrüger kaufen dann maßgeschneidert ein. Am Ende wird das echte, aber nicht wirklich bezahlte Onlineticket per PDF an die Käufer geschickt, die mit anonymen digitalen Zahlungsdiensten bezahlen. Für die Käufer ist das nicht ohne Risiko: „Am Ende steht deren Name auf dem Ticket“, sagt ein Bahnsprecher, „und das kann dann doppelt teuer werden.“ Denn wenn der Betrug mit den gestohlenen Kreditkartendaten auffliegt, ist es der Reisende, der ins Visier der Polizei gerät. Und er bezahlt doppelt: „Wir stellen den Fahrpreis dem Reisenden nochmals in Rechnung“, sagt der Sprecher.

Die Zahl der Onlinetickets steigt und steigt

Inzwischen fliegen immer mehr Betrügerbanden auf – auch weil im Buchungsverkehr entsprechende Filter installiert wurden. Verdächtige Buchungen sollen so schneller erkannt werden und Alarm auslösen. Pro Jahr gibt es laut Bahn etwa 100 000 Betrugsversuche mit Kreditkarten, der Schaden geht in die Millionen.

Freilich sind Sicherheitsschranken eine Gratwanderung. Schließlich wolle man die redlichen Kunden nicht mit Hürden und Verzögerungen ärgern, heißt es. Der Kauf digitaler Fahrkartenboomt. 2011 sprach der Leiter der DB-Ermittlungen, Erik Liegle, noch von 65 000 täglich verkauften Online-Tickets. Fünf Jahre später hat sich dieser Wert fast verdoppelt. „Wir sind jetzt bei knapp 110 000 Onlinetickets täglich“, heißt es in der Bahn-Zentrale in Berlin. Voraussichtlich im Dezember dürfte die 40-Millionen-Marke überschritten werden.