Ruhe über den Pfahlbauten Foto: Mauritius

Die Macher der Großen Landesausstellung zur süddeutschen Pfahlbaugeschichte lassen das Freilichtmuseum Unteruhldingen praktisch unerwähnt. Am Bodensee regt sich dagegen entschiedener Protest.

Bad Schussenried - Im Umfeld der geplanten Großen Landesausstellung „4000 Jahre Pfahlbauten“ sind knifflige Regiefragen zu lösen gewesen. Die schwerwiegendste lautete: Wo soll sie stattfinden? Als idealer Ort galt das Kunstgebäude am Stuttgarter Schlossplatz. Aber nun werden die Räume länger als gedacht als Landtagsprovisorium benötigt. Die Geschichtsschau wurde kurzerhand nach Oberschwaben verlegt – in die staatlichen Museumsräume des Klosters Bad Schussenried sowie des Federseemuseums Bad Buchau (Kreis Biberach).

Doch die Standortdebatte ist damit nicht zu Ende. Da hilft es auch nichts, dass die Ministerialrätin des Wissenschaftsministeriums, Jutta Ulmer Straub, am Freitag kurz vor der Vernissage in Bad Schussenried konstatierte: „Was die Kulturschaffenden anfangs verärgert hat, wurde zum Glücksfall für die Region.“ Michael Hörmann von den Staatlichen Schlössern und Gärten erklärte, wie aus der Not eine Tugend geworden sei. Man habe es geschafft, „das Thema zum Publikum und nicht das Publikum zum Thema zu bringen“.

„Man hat uns anscheinend vergessen“

Das sieht allerdings Gunter Schöbel, der Geschäftsführer des von einem Verein getragenen Pfahlbaumuseums Unteruhldingen am Bodensee, komplett anders: „Die Menschen sind bei uns.“ Er ergänzt: „Dass wir in Schussenried nicht eingebunden wurden, verstehen wir nicht. Man hat uns anscheinend vergessen.“

Vergessen eher nicht; das vermeintliche Versäumnis sieht mehr nach einer gezielten Regieanweisung aus. Das 1922 gegründete Pfahlbaumuseum vom Bodensee kommt im oberschwäbischen Kloster nämlich durchaus vor, aber nur als kleinformatiges Schwarz-Weiß-Foto von 1937, auf dem ein NS-Offizier über Holzplanken schreitet. Eine Texttafel klärt auf, wie es am damaligen Institut für Frühgeschichte der Universität Tübingen nach der Weltwirtschaftskrise zu „Intrigen und Machtkämpfen“ gekommen sei, in deren Mitte der Archäologe Hans Reinerth gestanden habe.

Unteruhldingen – Rückzugsort eines NS-Ideologen

Dieser habe sich von 1931 an dem Nationalsozialismus verschrieben und die Pfahlbauforschung für „ideologische Zwecke“ missbraucht. Gemeint ist damit das Bestreben des Nazis, die Archäologie zur Beweiswissenschaft für die Überlegenheit einer so genannten „nordischen Rasse“ zu machen. Solche Propaganda sei der Grund dafür gewesen, dass die Unterwasserarchäologie über Jahrzehnte eine Wissenschaft gewesen sei, „an der man sich besser nicht die Finger verbrennt“, erzählte am Freitag in Bad Schussenried Claus Wolf, der Präsident des Landesamts für Denkmalpflege.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zog sich Reinerth in das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen zurück, das er bis zu seinem Tod 1990 leitete. Was auf keiner Tafel vermerkt ist: es übernahm der Archäologe Gunter Schöbel, bis heute Teilzeitdozent an der Universität Tübingen und Studienkollege sowohl Claus Wolfs als auch des kürzlich in Pension gegangenen Amtsarchäologen Helmut Schlichtherle, der diese Große Landesausstellung wesentlich mitkonzipiert hat. Verweise auf Unteruhldingen brauche es nicht, beschied Schlichtherle, der weiter als Landesberater arbeitet, am Freitag. „Da gehen die Leute sowieso hin.“ Die am Bodensee gezeigten Artefakte stammten zudem zu großen Teilen aus der Vorkriegszeit und entsprächen nicht alle dem aktuellen Forschungsstand.

Rätselraten um persönliche Beziehungen

Präsident Wolf pflichtete bei: „Unteruhldingen wird seine Besucher auch ohne uns haben.“ Das Verhältnis zu Schöbels Museumsverein sei gut. Die Entscheidung für die Bäderstädte Schussenried und Buchau stelle keine Bewertung des Bodenseemuseums dar. Hingegen beschwert sich der Museumschef Schöbel, auf dem Werbeflyer für die Landesaussstellung, die auch eine stilisierte Karte des südlichen Baden-Württemberg enthält, sei Unteruhldingen nicht einmal als Punkt vermerkt. Dabei zähle das Pfahlbaudorf jährlich 270 000 bis 300 000 Besucher, es sei in weiten Teilen der Bevölkerung mithin der Begriff für die Pfahlbaugeschichte schlechthin. Aber alle Kooperationsangebote während der Planungszeit, auch gegenüber dem Stuttgarter Wissenschaftsministerium, seien abgewiesen worden. Die Landesvertreter ignorierten, dass „das Weltkulturerbe den Menschen gehört und nicht den Institutionen“. Möglich, sagt Schöbel, dass Privatmuseen wie seines klein gehalten werden sollten. Oder hat einfach eine alte Männerfeindschaft die Kooperation verhindert? „Da müssen Sie Herrn Schlichtherle fragen“, sagt Schöbel. Und Schlichtherle bemerkt, nicht weniger vielsagend: „In den letzten Jahren hat sich Herr Schöbel sehr selbstständig gemacht.“