Aus dem Schatz des Landesmuseums Württemberg: In Bad Cannstatt gefundene Goldschale aus dem späten 6. Jahrhundert v. Chr.. Foto: Landesmuseum

Wer bei Kelten an Irland denkt, liegt nicht falsch. Doch ihren Ursprung hat die Kultur an Rhein und Donau. Eine Große Landesausstellung zeigt jetzt Objekte aus ganz Europa.

Stuttgart - Wer bei Kelten an Irland denkt, liegt nicht falsch. Doch ihren Ursprung hat die Kultur an Rhein und Donau. Eine Große Landesausstellung zeigt jetzt Objekte aus ganz Europa.

Warum gerade jetzt?
Einen konkreten Anlass, etwa einen Jahrestag, gibt es nicht. Die Große Landesausstellung ist von langer Hand geplant und bildet den Höhepunkt des zum Keltenjahr ausgerufenen Jahres 2012. Mehr als hundert Veranstaltungen von Asperg bis Villingen-Schwenningen ergänzen die Schau. Die Große Landesausstellung fällt zeitlich zusammen mit der spektakulärsten Entdeckung, die Keltenforscher in den letzten 35 Jahren gemacht haben: dem Fürstinnengrab von Herbertingen an der Donau. Es birgt Gold in Hülle und Fülle. Einige dieser Funde werden nun in Stuttgart gezeigt.

Was ist noch zu sehen? Die Schau zeigt mehr als 1300 Originalobjekte aus ganz Europa, darunter in Deutschland bisher noch nicht gezeigte Einzelstücke aus Großbritannien und anderen Ländern. Ein Teil davon war 2009 bereits in Bern ausgestellt, doch Stuttgart geht weit darüber hinaus. Es sei „die wohl größte Keltenausstellung seit dreißig Jahren“, sagen die Ausstellungsmacher. Verantwortlich dafür zeichnen das Landesmuseum Württemberg, das Archäologische Landesmuseum Konstanz und das Landesamt für Denkmalpflege.

Wer sind die Kelten?
Sie sind kein einheitliches Volk. Trotzdem haben die Menschen, die zwischen dem achten Jahrhundert vor Christus und der Ankunft der Römer weite Teile Mittel- und Westeuropas bevölkern, vieles gemeinsam – in sprachlicher, kultureller und zivilisatorischer Hinsicht. Mit Eisen können sie übrigens schon meisterlich umgehen. Die Wissenschaft teilt die keltische Epoche in zwei große Phasen ein: Die Hallstatt-Kultur (800 bis 450 v. Chr.), benannt nach einem Fundort in Österreich – in diese Zeit fallen die berühmten süddeutschen Fürstensitze wie der Hohenasperg. Und in die Latène-Zeit (450 v. Chr. bis zur Ankunft der Römer), benannt nach einem Fundort in der Schweiz.

Kelten in Württemberg?
Hier fängt alles an. Die Kelten bilden in Südwestdeutschland, der Nordschweiz und Ostfrankreich eigentlich die Urbevölkerung, sind immer schon da. Das belegen tausende keltische Fundstellen. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet von einer keltischen Stadt an den Quellen der Donau. Etwa um 400 v. Chr. suchen sie sich neue Siedlungsgebiete und breiten sich in ganz Europa aus: in Norditalien und Portugal, auf den britischen Inseln – und in Anatolien. Diese kennt man aus der Bibel übrigens als Galater, denen der Apostel Paulus einen geharnischten Brief schreibt. Caesar nennt sie Gallier und gibt nicht eher Ruhe, bis er sie besiegt hat. Mit Ausnahme des kleinen gallischen Dorfs natürlich, in dem Asterix und Obelix leben – zwei Prachtkelten.


Was hinterlassen sie?
Schriftliche Quellen gibt es nur wenige. Doch die Archäologie kann ein recht genaues Bild der Kelten zeichnen. Dazu tragen vor allem die Funde aus dem heutigen Baden-Württemberg bei. In der Frühzeit der keltischen Epoche gibt es hier sogenannte Fürstensitze, das sind politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentren in exponierter Lage. Der Hohenasperg zum Beispiel ist ein solches Zentrum, aber auch die Heuneburg bei Sigmaringen. Diese auf einem Bergsporn liegende Siedlung beherbergt in ihrer Hochphase wohl einige Tausend Menschen und gilt damit als älteste Stadt nördlich der Alpen. Begraben werden die Fürsten allerdings in großen Hügeln außerhalb der Burgen. Eines der prachtvollsten Beispiele ist in Eberdingen/Hochdorf zu sehen. Hier stoßen Archäologen in den 70er Jahren auf ein unberaubtes Fürstengrab.

Gibt es auch Fürstinnen?
In einem Ludwigsburger Labor legen Archäologen gerade die sterblichen Überreste einer Frau frei, die vor etwa 2500 Jahren beim heutigen Herbertingen an der Donau gelebt hat. Ob sie eine Fürstin ist, wird sich kaum beweisen lassen. Doch ihr Schmuck aus Gold, Bernstein und anderen edlen Materialien lässt keine Zweifel daran, dass sie einen hohen gesellschaftlichen Rang hatte. Fachleute sehen in dem Fund ein Indiz dafür, dass Frauen in der frühkeltischen Gesellschaft einen bedeutenderen Stellenwert einnehmen als bisher angenommen. Die Grabkammer der Fürstin hat man übrigens im Dezember 2010 als riesigen Block auf einem Tieflader nach Ludwigsburg verfrachtet – eine spektakuläre Aktion, deren Früchte auf der Landesausstellung zu sehen sein werden. In Burgund fand man schon vor vielen Jahren das wertvolle Grab einer Fürstin, die sogenannte Dame von Vix. Manche Forscher glauben, sie sei eine Priesterin. Antike Autoren nennen auch keltische Frauen, die Aufstände gegen römische Besatzungstruppen anführen.


Was heißt das Wort Kelten?
Griechische Autoren wie der Geschichtsschreiber Herodot verwenden erstmals den Begriff „keltoi“. Das Wort gehört der indogermanischen Sprachfamilie an und bedeutet wohl so viel wie „die Tapferen“. Die Römer nennen sie „Galli“, erwähnen aber auch, dass diese in vielerlei Stämme unterteilt sind, so etwa die Haeduer oder die Sequaner.


Was ist aus ihnen geworden?
Die Kelten sind noch da – in den Genen vieler Menschen. Sie haben sich mit Germanen, Römern und anderen Völkern vermischt. Ihre spezifische Kultur allerdings ging verloren. Nur in den entlegenen Winkeln Europas, in Irland zum Beispiel oder in der Bretagne, haben sich ihre Bräuche erhalten. Dort gibt es auch noch Sprachen, die auf keltische Wurzeln zurückgehen.


Im Flug zu den Kelten?
Das ist seit neustem möglich. Die Filmakademie Baden-Württemberg hat in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege einen dreidimensionalen Animationsfilm entwickelt, der ein realistisches Bild von zwei Fürstensitzen vermitteln will: die Heuneburg bei Sigmaringen und der Ipf bei Bopfingen. Der Film, der die Festungen und die umliegenden Gebäude im Flug erkundet, wird auf der Großen Landesausstellung zu sehen sein.