Fast täglich bilden sich lange Staus auf der A 8 rund ums Stuttgarter Kreuz. Grund sind häufig Unfälle. Foto: factum/Granville

Eine vierte Fahrspur auf der A 8 soll das Verkehrschaos verringern. Doch die Großbaustelle zwischen Stuttgart und Leonberg lässt die Unfallzahlen in die Höhe schießen. Allerdings kracht es bereits seit Jahren rund ums Stuttgarter Kreuz immer häufiger.

Stuttgart - Es ist nur ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit. Als ein 55 Jahre alter Mann auf der A 8 im Baustellenbereich zwischen Kreuz Stuttgart und Dreieck Leonberg abbremsen muss, ist es passiert. Zwar kann der Audifahrer hinter ihm noch reagieren, doch der 59-Jährige Porsche-Fahrer dahinter erkennt die Situation zu spät. Er rauscht in die beiden Fahrzeuge vor ihm. Der Sachschaden beträgt 15 000 Euro, der Sportwagen muss abgeschleppt werden. Und das morgens um 7.30 Uhr. Die Folge: ein kilometerlanger Stau im Berufsverkehr.

Der Zwischenfall vor ein paar Tagen steht exemplarisch für viele andere. Seit Anfang März die Verkehrsführung auf der A 8 geändert worden ist, weil eine vierte Fahrspur gebaut wird, kracht es ständig. Autofahrer auf dem ohnehin staugeplagten Abschnitt, mit rund 150 000 Fahrzeugen täglich der am höchsten belastete in Baden-Württemberg, müssen seither noch mehr Geduld und Aufmerksamkeit mitbringen. Die Zahl der Unfälle schießt in die Höhe. Allerdings nicht erst seit März. Die Unfallzahlen auf dem Abschnitt zwischen dem Dreieck Leonberg und dem Echterdinger Ei steigen seit Jahren.

Noch 2014 gab es dort 354 Verkehrsunfälle. Im Jahr darauf waren es bereits 432, im vergangenen Jahr 556. Bis Ende Juni dieses Jahres hat die zuständige Verkehrspolizei Ludwigsburg bereits 335 Unfälle gezählt. Das waren 71 mehr als im ersten Halbjahr 2016. „Die jüngsten Steigerungen sind im Zusammenhang mit der Baustellensituation zu sehen“, sagt ein Polizeisprecher. Die 37 Millionen Euro teuren Bauarbeiten sollen noch bis Jahresende andauern. Man darf also mit einer Verdoppelung der Unfallzahlen auf diesem Abschnitt binnen nur dreier Jahre rechnen. Und das trotz zahlreicher Gegenmaßnahmen wie Öffnung des Standstreifens, stationärer Blitzer oder elektronischer Schilderbrücken. Doch dafür sind eben auch Baustellen nötig gewesen.

Viele Lastwagen erhöhen die Gefahr

„Durch Baustellen entstehen immer zusätzliche Unfälle“, sagt Klaus Trautmann vom Stuttgarter Regierungspräsidium. Überraschende Spurwechsel seien dafür verantwortlich, gewagte Überholmanöver oder das Übersehen eines Stauendes. Auf der A 8 komme noch die hohe Zahl der Lkw dazu. Durch sie wird es im Baustellenbereich noch enger. „Die Frage ist immer auch, wie geschickt eine Baustelle eingerichtet ist“, so der Referatsleiter.

Nach Ansicht des ADAC kann man darüber in Baden-Württemberg nicht klagen. „Die Behörden im Land sind sehr bemüht. Sie versuchen zum Beispiel, wo immer möglich eine Fahrbahnbreite von 2,20 statt früher oft nur zwei Meter zu erhalten“, sagt Carsten Bamberg von der Abteilung Verkehr und Technik. Gleichwohl sei das im Vergleich zur normalen Breite von 3,50 Meter ein enormer Unterschied. „Die Platzverhältnisse erlauben oft nicht mehr, auch auf der A 8. Dazu kommen die Verschwenkungen, das bietet ein erhöhtes Gefahrenpotenzial.“ Viele Autofahrer seien da entweder unsicher oder überschätzten ihre Fähigkeiten erheblich.

Bamberg hat einen simplen Tipp parat, um Unfälle in Baustellen zu vermeiden: „Am sichersten ist es, auf der rechten Spur zu bleiben und versetzt zu fahren.“ Sprich: an Engstellen nicht direkt nebeneinander, sondern schräg versetzt, um Kontakt zu anderen Fahrzeugen zu vermeiden.

Entspannung erhoffen sich die Verkehrsexperten im nächsten Jahr, wenn die Großbaustelle Geschichte ist. Dann will man sich im Regierungspräsidium die Unfall- und Stauentwicklung auf der A 8 auch ganz genau anschauen. „Wir werden das Geschehen im nächsten Frühjahr analysieren. Dann kann man auch sagen, was der vierte Fahrstreifen in Sachen Unfalllage bringt“, sagt Trautmann.