Die Schauspieler Ulrich Matthes, Charly Hübner und Frederick Lau (von links) von "Bornholmer Straße". Foto: dpa

Qualitätsfernsehen - für die Grimme-Jury liefert das vor allem das Öffentlich-Rechtliche ab. Und das Grimme-Institut sucht neue Wege in der Kategorie Unterhaltung.

Essen - Die deutschen Privatsender gehen beim Grimme-Preis 2015 vollständig leer aus. ARD, ZDF und Co räumten alle zwölf Auszeichnungen für vorbildliches Qualitätsfernsehen ab.

Lediglich der private britische Kanal Channel 4 kam in einer Co-Produktion mit dem ZDF und Arte in "Die Kinder von Aleppo" mit zum Zuge.

Durchsetzen konnten sich unter 65 Nominierten auch die ARD-Filme "Bornholmer Straße", "Der Fall Bruckner" und "Altersglühen - Speed Dating für Senioren" mit Senta Berger. Der "Tatort" ist auch wieder dabei - mit der Folge "Im Schmerz geboren" mit Ulrich Tukur.

Von den Sendungen und Akteuren des Privatfernsehens waren nur wenige nominiert gewesen, darunter Vox mit "Sing meinen Song" und Stefan Raab wegen seines Intros zum Bundesvision Song Contest (ProSieben). 2014 war die ProSieben-Show "Circus HalliGalli" prämiert worden.

Auszeichnung für "Bornholmer Straße"

Angesichts einer Fülle guter Filme mussten auch Blockbuster der öffentlich-rechtlichen Sender auf eine Trophäe verzichten. Die Nachkriegs-Familiensaga "Tannbach" ging ebenso leer aus wie der Politthriller "Die Spiegel-Affäre". Das Grenzöffnungsstück "Bornholmer Straße" hatte dagegen einen Vorteil. Es passte 25 Jahre nach dem Mauerfall genau ins Programm. Die Nöte der DDR-Grenzer nach dem legendärem Satz von Politbüro-Mitglied Günter Schabowski vom 9. November 1989: "Privatreisen nach dem Ausland können ab sofort ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden" sind fast zur Komödie geraten. Die Grenzer (Hauptrolle: Charly Hübner) erhielten keine weiteren Befehle und standen ratlos dem Ausreiseansturm gegenüber.

"Dieses Fernsehjahr war in ganz besonderer Weise vielfältig und zeigt erfreuliche Ansätze zu programmlichen Innovationen", sagte Grimme-Direktorin Frauke Gerlach. Künftig will sie mehr Schwerpunkte in der Unterhaltung setzen. Dazu zählt der Preis für "Mr. Dicks - Das erste wirklich subjektive Gesellschaftsmagazin" (EinsFestival/WDR). Der Radiomann Jochen Rausch von WDR 1Live habe in Zusammenarbeit mit WDR-Fernsehmachern ein junges, schräges Format entwickelt, das "alle 30 Sekunden überrascht", so die Jury. Frontmann ist die Puppe "Mr. Dicks". Die vier Macher werden im Gefolge gleich mitausgezeichnet.

Die hohen Ehren in der Informationskategorie teilen sich vor allem ARD, ZDF und Arte. In "Camp 14" schafft es Filmemacher Marc Wiese, Opfer und Täter in einem nordkoreanischen Konzentrationslager vor die Kamera zu bekommen. Die Schilderungen eines entkommenen Häftlings über seine jahrelangen Qualen sind erschütternd. Auch ein Aufseher spricht. Er gibt offen zu, so wie auch andere Wächter gut aussehende Frauen aus dem Lager mit nach Hause genommen zu haben. Wenn sie schwanger wurden, mussten sie unter einem Vorwand sterben.

Überwiegend Auslandsthemen haben es zu Grimme-Ehren geschafft. Mit "Nach Wriezen" machte aber auch ein aktuelles deutsches Geschehen das Rennen. Daniel Abma hat drei jugendliche Straftäter aus dem Gefängnis Wriezen in Brandenburg nach der Entlassung drei Jahre begleitet. Einer hatte im Jugendalter einem Opfer wie in dem US-Drama "American History X" den Kopf an einem Bordstein zerschmettert.

Die Russland-Korrespondentin Ina Ruck vom WDR und der Nahost-Korrespondent Dietmar Ossenberg vom ZDF bekommen einen Sonderpreis, die "Besondere Ehrung" des Deutschen Volkshochschulverbandes.