Die Banken in Griechenland sind geschlossen Foto: dpa

Noch steht das Schicksal Griechenlands auf Messers Schneide – sowohl die Regierung in Athen als auch die EU bleiben hart. Ein Ende der Euro-Zugehörigkeit des Landes rückt näher.

Stuttgart - Welche Folgen hätte ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro für den Südwesten?
Die unmittelbaren Folgen wären eher gering, denn Griechenland steht nur für 0,4 Prozent des Exports baden-württembergischer Firmen. Das krisengeschüttelte Land steht damit auf Platz 39 unter den Exportzielen. Bei den Einfuhren ist der Anteil Griechenlands mit 0,2 Prozent noch geringer. Die Exporte nach Griechenland würden wohl massiv leiden, wenn Griechenland aus dem Euro ausscheidet, weil die neue Währung des Landes wesentlich schwächer wäre und somit Waren, die in Euro bezahlt werden müssen, für die Griechen viel teurer würden.
Gäbe es außer den Exporteinbußen auch weiter reichende Auswirkungen?
Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit könnte ein Ausscheiden einen gefährlichen Domino-Effekt in der Euro-Zone auslösen. Denn mit Einführung einer weichen Währung könnte Griechenland außer seinen Importen auch seine Schulden bei ausländischen Gläubigern nicht mehr bezahlen. Würde dadurch eine Bank pleitegehen, könnte sie ihrerseits ihre Verpflichtungen gegenüber anderen Banken nicht erfüllen, die dann ebenfalls ins Wanken gerieten. Die Gefahr einer solchen Kettenreaktion ist heute allerdings deutlich geringer als noch vor wenigen Jahren, weil durch die Rettungspakete die Gläubiger Griechenlands gewissermaßen ausgetauscht wurden. Ginge das Land pleite, lägen die Verluste kaum noch bei den Banken. Deutsche Institute wären mit 2,4 Milliarden Euro dabei – das ist angesichts der billionenschweren Bilanzsummen kaum wahrnehmbar.
Es gibt in den Verträgen doch gar keine Klausel, die das Austreten eines Landes aus dem Euro vorsieht. Ist der Grexit, das Ausscheiden des Landes aus der Gemeinschaftswährung, somit nicht eine Phantomdiskussion?
Falls das Land tatsächlich formal pleitegeht, kann die Europäische Zentralbank (EZB) dem Bankensystem keine Mittel mehr zur Verfügung stellen. Weil die Griechen schon jetzt das Geld im großen Stil horten oder außer Landes bringen, säße das Finanzsystem binnen kürzester Zeit auf dem Trockenen. Das Land wäre zwar formal im Euro, aber sein Finanzsystem hätte keine Euro mehr und bräuchte einen Ersatz. Dies könnte etwa die alte Drachme sein.
Faktisch ist Griechenland doch schon längst pleite. Warum bekommt es trotzdem noch Geld von den Gläubigern? Im Privatrecht wäre dies ja Insolvenzverschleppung.
Aus den Hilfsprogrammen bekommt das Land nichts mehr, weil es die Sparauflagen nicht mehr anerkennt. Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt allerdings einen Notkredit von 90 Milliarden Euro an das Bankensystem im Land, weil sie nicht die Institution sein will, die die Zahlungsunfähigkeit des Landes auslöst und somit einer politischen Lösung vorgreift. Regulär kann sich das Bankensystem schon seit einiger Zeit nicht mehr finanzieren.
Warum müssen die Banken trotz dieser riesigen Hilfsleistungen schließen?
Die EZB hat das Notprogramm bis Mittwoch eingefroren und damit Griechenland in Zugzwang gebracht. Denn seit Monaten verschieben Griechen viel Geld ins Ausland, um es vor einem möglichen Zwangsumtausch in eine schwache Drachme in Sicherheit zu bringen. In der vergangenen Woche haben auch die einfachen Bürger viel Bargeld abgehoben. Um die Zahlungsfähigkeit der Banken aufrechtzuerhalten, füllte die EZB das Geld immer wieder nach. Durch das Einfrieren muss das Bankensystem nun mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Deshalb musste Griechenland die Banken schließen, Bargeldabhebungen und Überweisungen ins Ausland stark beschränken. Dadurch sollen dem Bankensystem nicht noch mehr Euro verloren gehen.
Wäre ein Ausscheiden Griechenlands für die EU hilfreich?
Wenn Importe von lebenswichtigen Gütern wie Lebensmitteln, Energie und Medikamenten so teuer würden, dass sich viele diese nicht mehr leisten können, wird die EU helfend eingreifen müssen. Das wird nicht billig, würde aus EU-Sicht aber verhindern, dass sich die griechische Regierung mit ihrer Haltung durchsetzt, Hilfen ohne Gegenleistung zu fordern und damit EU-weit ein Zeichen zu setzen. Für Griechenland selbst könnte eine eigene Währung die Chance auf einen Neuanfang bringen. Weil diese so schwach wäre, könnte das Land seine Leistungen auf den internationalen Märkten viel günstiger anbieten. Bisher allerdings fehlt es an diesen Exportgütern. Für Touristen würde das Land wesentlich attraktiver.
Warum setzt die EU trotzdem noch auf eine Einigung?
Sie will „mit allen vertretbaren Mitteln“ ein Ausscheiden verhindern, erklärte EU-Kommissar Günther Oettinger vor wenigen Tagen beim Besuch unserer Zeitung. Denn das Ausscheiden aus dem Euro soll für die Mitgliedsländer nicht zu einer Option werden, um wirtschaftliche Probleme loszuwerden. In diesem Fall würde die Euro-Zone wohl immer kleiner, und das Gewicht der Währung auf den Devisenmärkten und die politische Bedeutung der EU gegenüber wirtschaftlichen Schwergewichten wie den USA und China würden wohl schwinden. Zudem ist das Risiko einer wirtschaftlichen Kettenreaktion nach dem Austritt eines Landes zwar deutlich geringer als vor einigen Jahren, aber nicht wirklich berechenbar.