Gegner oder Partner in der Schuldenkrise? Wenigstens die Fahnen der EU und Griechenlands (r) flattern vor der Akropolis in Athen noch einträchtig im Wind. Foto: dpa

Der Mittwoch der Wahrheit steht an: Griechenlands neue Haltung zur EU verlangt nach klaren Antworten, meint der Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, Dr. Christoph Reisinger.

Das wird der Mittwoch der Wahrheit. Für Griechenland und für seine europäischen Partner. Denn die Spitzenvertreter der neuen griechischen Links- plus Rechtsaußenregierung, die an diesem Tag bei EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) vorsprechen, müssen sich ehrlich machen: War die fortissimo gespielte, schrille Eingangsmelodie zu ihrer Regierungszeit ein Nachklang des Wahlkampfs? Oder gibt sie den Takt vor, in dem die Regierung Tsipras Europa- und Währungspolitik betreiben wird?

Sie hat sich bereits allerhand geleistet: die Bedienung der griechischen Staatsschulden infrage gestellt, das angeblich deutsche Spardiktat aufgekündigt, die Troika rausgeschmissen, jenes Gremium, das ihr bei Staatsreform und Sparanstrengung im Auftrag der Kreditgeber EU, EZB und Internationaler Währungsfonds auf die Finger sehen soll.

Schlimmer noch: Tsipras lädt die ebenfalls wankenden EU-Partner Spanien und Italien ein, es ihm gleichzutun und ihrerseits die anstehenden Reformen auf die leichte Schulter zu nehmen. Er verweist auf deutsche Kriegsgräuel in Griechenland, leitet daraus – rechtlich wie bündnispolitisch abenteuerlich – Entschädigungsansprüche ab und belastet auch so die Einigkeit in der EU. Als wäre die nicht schon genug strapaziert durch Währungsschwäche, Verhandlungsmarathon mit den USA und durch herrisch-kriegerische Gesten Russlands.

Vor diesem Hintergrund war es bisher die richtige Politik der EU-Partner, buchstäblich um des lieben Friedens willen stillzuhalten und Tsipras seine Wähler mit all seinem Getöse bespaßen zu lassen. Aber jetzt ist Schluss mit lustig.

Genau das müssen EU-Kommission und EZB ihren griechischen Gästen vermitteln. Sie dürfen dabei auf die Macht des Faktischen setzen: Ohne weitere Hilfszahlungen fällt Griechenland dem Staatsbankrott anheim. Sein Verbleib im Euro scheint dann ausgeschlossen. Möglicherweise hat das Wissen darum selbst auf einen Alexis Tsipras eine gewisse ernüchternde Wirkung.

EU, EZB und die nationalen Regierungen der EU-Ländern stehen aus drei Gründen in der politischen wie moralischen Pflicht, den Zumutungen aus Athen standzuhalten. Ließen sie die Abkehr von vertraglichen Verpflichtungen durchgehen, die Griechenland für die Rettung vor der Pleite eingegangen ist, wäre der letzte Rest von Währungsstabilität für den Euro vertan. Nicht nur für Deutschland wären die Folgen katastrophal, jedes Vertrauen in Europa und den Euro wäre auf lange Zeit dahin.

Hinzu kommt: Wird Griechenland darin bestärkt, auf Kosten seiner Partner fünf gerade sein zu lassen, kommt das einer Bestrafung aller anderen Länder gleich, die sich wie Irland unter großen eigenen Opfern mit EU-Hilfe aus der Schuldenkrise gekämpft haben.

Am schwersten aber wiegt: Welcher Politiker in der EU wollte seinen Wählern glaubhaft begründen, warum sie weiter finanzielle Risiken und Opfer für Griechenland schultern sollen, wenn ihnen die Erkenntnis darüber verwehrt wird, ob und wie die Griechen selber für das Ende ihrer Krise kämpfen?

Der überaus zweifelhafte Weg Griechenlands zur Teilhabe am Euro legt gerade im Umgang mit diesem Partner die Gültigkeit der Volksweisheit nahe: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das muss der Maßstab sein. Im Interesse der gesamten EU.