Ein Grieche in Stuttgart: Taxifahrer Iordanis Georgiadis Foto: dpa

Die Krise in Griechenland beschäftigt auch die Menschen in Stuttgart. Am Freitagabend wird es auf dem Schillerplatz eine Solidaritätskundgebung geben. Griechen, die hier leben, sehen sich immer wieder in der Situation, die ferne Heimat verteidigen zu müssen.

Stuttgart - „Was, Sie sind Grieche? Dann kann ich ja umsonst fahren.“ Den Scherz hört der Stuttgarter Taxifahrer Iordanis Georgiadis immer wieder. Er bleibt gelassen. Täglich fragen Kunden den 42-Jährigen nach der Lage in Griechenland. „Es ist ganz klar, dass es sich so nicht weiterleben lässt“, sagt er dann. „Ohne Reformen wird es keinen Wirtschaftsaufschwung geben.“ Wäre er am Sonntag in seinem Heimatland, würde er mit „Ja“ für die Sparforderungen der Geldgeber stimmen. „Ich würde ganz klar für Europa abstimmen - letztendlich stellt sich nur die Frage: für oder gegen Europa?“

In Stuttgart wird es am Freitagabend eine Solidaritätskundgebung für das überschuldete Land geben. Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Schluss mit dem Kaputtsparen Griechenlands - für ein solidarisches Europa“. Die Organisatoren erwarten, dass rund 500 Leute um 18 Uhr auf den Schillerplatz kommen. Die Kundgebung wird vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac, dem Stuttgarter Bürgerprojekt „Die Anstifter“ und der Initiative „Neue hellenische Gemeinde Stuttgart“ organisiert.

In Stuttgart leben 14.000 Griechen

In Deutschland leben nach Zahlen des Statistischen Bundesamts rund 329.000 Griechen. Im Bundesländervergleich liegt Baden-Württemberg mit mehr als 77.000 nur hinter Nordrhein-Westfalen. Allein in Stuttgart sind es rund 14.000. Das entspricht einem Anteil an der Bevölkerung der Kommune von 2,3 Prozent, so die Statistiker im Südwesten. Gari Pavkovic, der Integrationsbeauftragte der Stadt, sagt, sie hätten eine starke Bindung zur Heimat. „Deshalb sind sie auch politisch und beschäftigen sich mit dem Thema.“

Sollten die Griechen bei der Volksabstimmung am Sonntag mehrheitlich mit „Nein“ stimmen, befürchtet Taxifahrer Georgiadis „das absolute Chaos“ in Griechenland. Sein Schwager in Thessaloniki überlege bereits, seine Belegschaft freizustellen. Der Unternehmer schneidert hochwertige Mode für deutsche Unternehmen. Es sei einfach kein Geld mehr im Umlauf, sagt Georgiadis.

Der 50 Jahre alte Unternehmer Aristidis Kristallidis, der einen mittelständischen Feinkosthandel in Weinstadt (Rems-Murr-Kreis) betreibt, importiert Spezialitäten aus Italien, Griechenland, Bulgarien und Spanien. „Bei finanziellem Engpass eines Lieferanten treten wir schon einmal finanziell in Vorleistung, damit beispielsweise das entsprechende Verpackungsmaterial gekauft werden kann“, sagt Kristallidis. „Der Vorschuss wird dann verrechnet.“ Seine Mutter ist Deutsche und sein Vater Grieche. Die dortige Krise sei bei den Handelspartnern und den Lieferanten ein Thema, sagt er.

"Griechische Regierung arbeitet zu sehr mit Emotionen"

Generell sei die Situation in Griechenland sicherlich sehr angespannt. „Die griechische Regierung arbeitet zu sehr mit Emotionen, was dazu führt, dass durch Befindlichkeiten Lösungen verhindert werden“, sagt der Geschäftsführer. „Wenn beide Seiten ihre Verantwortung wahrnehmen, kann man sicherlich zu einem vertretbaren und nachhaltigen Ergebnis kommen.“

Der 67-jährige Nikolaus Chidiroglou betreibt ein Restaurant in der Ulmer Innenstadt. Die Krise in seinem Heimatland macht ihn rasend. „Die griechischen Politiker haben alles kaputt gemacht. Das ist eine Katastrophe!“, sagt er und beschwert sich über zu hohe Schulden, zu hohe Renten, zu viele Beamte in seiner alten Heimat. „Wie kann ein Land da nicht kaputt gehen?“

"Wer was in der Birne hat, muss mit „Ja“ stimmen!"

Geht es um die anstehende Volksabstimmung seiner Landsleute, wird sein Ton zornig. „Ja! Ja! Ja!“, ruft er dann und klopft wütend auf den Tisch. „Wer was in der Birne hat, muss mit „Ja“ stimmen!“ Chidiroglou ist einer von 570 Griechen in Ulm.

Für Dimitrios Chochlakas in Stuttgart ist dagegen klar, wie die Abstimmung am Sonntag ausgehen wird: „Jeder sagt „Nein“, auf jeden Fall“, sagt der Barkeeper in einem griechischen Café. Die Ablehnung der Sparforderungen hielte der 23-Jährige auch für die richtige Wahl. „Ich finde es nicht gut, dass Menschen so behandelt werden.“ Die Leute bekämen derzeit so wenig Geld, dass davon keiner leben könne.

Allerdings ist Chochlakas auch überzeugt davon, dass ein „Nein“ der Griechen keinen Ausstieg aus der Europäischen Union bedeuten würde. „Tsipras sagt: „Nein“ bedeutet nicht raus.“ Sein Kollege Apostolos Balaskas hält dagegen: „Merkel sagt: „Nein“ bedeutet raus.“ Zunächst habe keiner gewusst, was die Abstimmung am Sonntag nun heiße, sagt der 27-Jährige. Allerdings sind sich die beiden jungen Männer darüber auch bisher nicht einig geworden.

Für die schwierige Lage der Griechen hätten die Taxi-Kunden in Stuttgart meist Verständnis, sagt Fahrer Georgiadis. Das Volk gelte als „sehr sympathisch“, nur die Regierung als „Vollpfosten“. Er betont, dass trotz gelegentlicher Griechen-Scherze die Kunden stets bezahlen würden - und er zahle auch seine Steuern in Deutschland.