Alle paar Jahre kommt es zu heftigen Waldbränden. Foto: SoAk

Nahezu unberührte Buchten und eine üppige Vegetation sind die Markenzeichen von Thassos, der nördlichsten Insel Griechenlands. Hier kann man abseits der Touristenströme wunderbar entspannen.

Ilmenas - Wer sich vom nordgriechischen Festland mit der Fähre der Insel Thassos nähert, unterliegt zunächst einer optischen Täuschung. Sicher, aus dem morgendlichen Dunst erheben sich wie erwartet bewaldete Berge, die beweisen, dass Thassos mit seiner dichten Vegetation zu Recht als Griechenlands grünste Insel gilt. Dennoch ist das Auge irritiert. Denn auf den grünen Hängen erstrecken sich ausgedehnte Schneefelder. Und das sogar im Sommer. Erst beim Näherkommen klärt sich der Irrtum auf.

Auf den Bergflanken über der Inselhauptstadt Thassos, die eigentlich Limenas heißt, wird in mehreren Steinbrüchen Marmor abgebaut. Schneeweißer Marmor. Ihm begegnet der Reisende bei seiner Inselrundfahrt immer wieder. Kaum sind im kleinen Hafen von Limenas die Autos der Touristen von den Fähre gefahren, rollen im Gegenverkehr zwei staubige Lastwagen aufs Schiff. Ihre Ladung: tonnenschwere Steinquader. „So weiß und so feinkörnig wie der Marmor aus Carrara“, schwärmt Birgit Nolden-Manolakis, die vor 24 Jahren als Touristin nach Thassos kam und hier ihr Herz verlor

. Doch das weiße Gold der Insel, das gern in Palästen auf der Arabischen Halbinsel verbaut wird, hat auf dem Weltmarkt einen Teil seines Glanzes verloren. Die günstigere Konkurrenz in der nahen Türkei und in Bulgarien schläft nicht. Die wichtigste Landesfarbe von Thassos aber ist Grün. Grün wie der Wald, griechisch Dassos, der wohl 90 Prozent der Insel bedeckt. Vom flachen Küstenstreifen im Westen mit seinen zum Teil uralten Olivenhainen zieht sich das Grün mit dichten Kiefern-, Pinien-, Eichen- und Platanenwäldern fast bis hinauf zum 1204 Meter hohen Gipfel des Ipsárion. Ergiebige Winterregen sorgen für üppige Vegetation.

Die Sommerhitze weicht angenehmen Temperaturen

Gleichzeitig aber unterspülen die Niederschläge allzu oft die Schotterstraßen zu den kleinen Bergdörfern. Seit ein paar Jahren führt eine Asphaltstraße hinauf nach Mikro Kazaviti, wo mit jedem Höhenmeter die Sommerhitze der Küste angenehmeren Temperaturen weicht. Beim Abendessen auf der schattigen Terrasse von „O Jannis“ serviert die Wirtin Stamatia Dali Löwenzahnsalat, Zicklein, Schweinshaxen, hauseigenen Schafskäse mit Honig und einen besonders würzigen Ouzo.

Gratis ist dazu als kleine Nachtmusik aus dem Wald der Gesang zahlreicher Nachtigallen zu hören. Doch der Wald ist nicht immer grün. Alle paar Jahre kommt es, angefacht von heftigen Böen des Meltémi, zu großflächigen Bränden, die ganze Bergrücken in Asche legen. Ursachen sind nicht selten wilde Mülldeponien. Die Gemeinde Thassos, die alle etwa 15 000 Einwohner der Insel umfasst, will nun gegensteuern. Vor gut einem halben Jahr wurde mit Hilfe baden-württembergischer Kommunalpolitiker die Mülltrennung eingeführt. Andere Deutsche haben sich an der Südwestküste ein Denkmal gesetzt.

Auf einer Klippe über der Kleinstadt Limenária thront das Palatáki, das frühere Verwaltungsgebäude einer Firma, die auf Thassos bis 1964 Eisen-, Zink- und Kupfererz abgebaut und hier verschifft hat. Heute ist das Palästchen eine Ruine mit undichtem Dach, kaputten Scheiben und losen Fensterläden. Im kleinen Fischerhafen von Limenária macht Kapitän Vassili Kalafatis sein Ausflugsboot klar. Der Sohn eines Fischers hat es „Axion Esti“ genannt. Ob er damit wohl auf bildungsbeflissene Touristen schielt, die das gleichnamige Volksoratorium nach dem Text des Nobelpreisträgers Odysseas Elytis und der Musik von Mikis Theodorakis kennen. Bei der Ausfahrt aus dem Hafen werden die Passagiere fast geblendet.

1000 Tonnen Marmor

Die Mole besteht, wie in anderen Fischerorten auch, nicht aus grauem Beton, sondern aus weißen Marmorblöcken, die das Sonnenlicht hart reflektieren. Armes Griechenland, steinreich. 1000 Tonnen Marmor mit kleinen Fehlern liegen im Wasser, aus denen sich wohl mehr als 10 000 Tischplatten für Gartenmöbel sägen ließen. Kaum um die Mole gebogen, beginnt das Boot mit einem wilden Ritt auf den Wellen. Während der Kapitän sein Boot betont gelassen durch die ruppige Dünung lenkt und Zeit findet, sich kritisch über die wieder einmal gestiegenen Preise für Diesel auszulassen, hängen die ersten Passagiere nach einstündiger Fahrt bleich über der Reling und füttern die Fische.

Sie haben kein Auge für das Nonnenkloster Archangélou, das im Süden der Insel wie ein Schwalbennest zwischen gewaltige Marmorklippen geklebt zu sein scheint. Dort oben haben die 26 Nonnen von ihrer spektakulär in den Hang gebauten Klosteranlage einen tollen Blick hinüber aufs Festland mit dem heiligen Berg Athos, den sie als Frauen nicht betreten dürfen.

Auch die Besucher dürfen von dort die Aussicht genießen - aber nur, wenn sie sich zuvor züchtig in lange Wickelröcke oder weite Pyjamahosen gehüllt haben. Nach zweistündiger Fahrt macht das Boot in der wohl schönsten Bucht von Thassos fest, die im Schutz der kleinen Halbinsel Aliki liegt. Das Schaukeln hört auf, der Magen beruhigt sich. Hier, am Strand des türkisblauen Meeres, könnte der Sage nach ein anderer Namensgeber der Insel an Land gegangen sein: Thassos, der Phönizierprinz, der hier nach der von Zeus entführten Europa suchte. Seine Schwester fand er nicht, dafür Reichtümer wie Gold, Olivenöl und jede Menge Marmor.

Doch die Insel hatte noch weit mehr zu bieten: Wein, Salz, Honig, Holz für den Schiffsbau. „Hier war ein wichtiger strategischer Ort“, berichtet Tomas Kyrakidis, der seit ein paar Monaten auf Aliki als Leiter eines Archäologenteams eine vergessene Tempel- und Kirchenanlage restauriert. Griechen, Römer und Byzantiner haben dort Spuren hinterlassen, jeder Bauherr hatte sich an den Ruinen seiner Vorgänger bedient. Der Archäologe beschreibt die Lage der antiken Stätte auf Aliki als ideal.

Von hier aus konnten die Handelswege zwischen Athen, Kleinasien und Konstantinopel kontrolliert werden. Wie perfekt die Lage tatsächlich war, kann am anderen Ende der kleinen Halbinsel besichtigt werden. Dort liegt, halb im Meer versunken, ein gut erhaltener antiker Steinbruch, von dem aus der Marmor recht einfach auf Schiffe nach Athen verladen werden konnte. Noch heute findet man hier Steinblöcke, die wie frisch behauen wirken. Es scheint fast so, als hätten sich die altgriechischen Steinmetze während der Flut nur zu einer Mittagspause zurückgezogen.

Infos zu Thassos

Anreise
Charterflüge zum Flughafen Alexander der Große in Kavala gibt es von München, Frankfurt und Düsseldorf. Vom nahen Küstenort Keramoti setzen Fähren, die in der Hauptsaison stündlich verkehren, in 30 Minuten nach Limenas über. Direkt von Stuttgart kann man mehrmals in der Woche Thessaloniki anfliegen. Von dort mehrstündige Fahrt mit der Fähre direkt nach Thassos oder mit dem Linienbus 170 Kilometer nach Ka vala.

Unterkunft
Wie überall auf den griechischen Inseln findet man auch auf Thassos günstige Privatzimmer und einfache Pensionen. Die Studios Agorastos in Kínera an der Ostküste bieten neben einem Panoramablick saubere Zimmer und eine hervorragende Küche zu moderaten Preisen. Die Deutsch sprechende Wirtin Thalia Dalgianaki hat alles im Griff, nicht nur ihre Drillinge, www.agorastos-thassos.gr

Reisende mit etwas dickerem Geldbeutel finden im neuen Vier-Sterne-Hotel Alea in Skala Prinou moderne Zimmer und ein reich bestücktes Büfett. Doppelzimmer: ab 107 Euro, www.aleahotel.com

Reiseveranstalter: Ein Thassos-Spezialist ist der Veranstalter Rhomberg, dort gibt es z. B. eine Woche in einem familiengeführten Hotel inklusive Flug und Halbpension im DZ, ab 619 Euro pro Person, www.rhomberg-reisen.com

Unternehmungen
Rund um die Insel mit einem Umfang von fast genau 100 Kilometern finden sich überall Strände. Die schönsten Sandstrände konzentrieren sich auf der Ostseite von Thassos (Makriámmos, Golden Beach bei Skála Potamiás, Paradise Beach bei Kínera) und im Süden bei Potós. Das bergige Hinterland mit seinen weitläufigen Wäldern lockt zum Wandern.

Konkrete Tourenvorschläge gibt es zum Nachlesen unter www.wandern-thassos.de

Überall auf der Insel findet man an wichtigen Plätzen Statuen und Skulpturen aus Marmor von zeitgenössischen Künstlern. An die Qualität von Polygnotos Vagís, den international bekanntesten Bildhauer aus Thassos, reichen sie aber meist nicht heran. Vagis wanderte 1911 noch unter der Türkenherrschaft als junger Mann in die USA aus und starb dort 1965. In seinem Geburtsort Potamiá zeigt das Vagis-Museum zahlreiche seiner Werke in Marmor, Granit und Bronze, www.thassos-view.com/sights/polygnotos-vagis-museum

Allgemeine Informationen
Zahlreiche Informationen bietet die Website der Tourismus-Organisation von Thassos, www.thassos-dream.gr (nur in griechischer und englischer Sprache).