Teile des Naturschutzgebietes Greutterwald sind Refugien, in denen die Bäume sich selbst überlassen werden. Foto: Archiv Heinz Heiss

Das Naturschutzgebiet Greutterwald besteht seit 30 Jahren. Es gilt als schützenswertes Juwel. Gutachten erklären die Streuobstwiesen zum „ökologisch und optisch wertvollsten Bestand des Stuttgarter Waldgebietes“.

Stuttgarter Norden - Für viele Amphibien, Insekten, Fledermäuse und Vögel ist er Lebensraum, für den Menschen ein Erholungsgebiet inmitten der Stadt. Der Greutterwald zwischen Feuerbach, Zuffenhausen und Weilimdorf, einst im Visier von Bauspekulanten, ist seit 30 Jahren Naturschutzgebiet. Sein Zustand wird allenthalben gelobt, der Autoverkehr im Vicinalweg allerdings stört die Harmonie.

Ökologisch und optisch wertvoll

Es war König Wilhelm I., der um 1834 eine 30 Hektar große Fläche Wald abholzen ließ, um dort Obstbäume anzupflanzen – der Name Greutterwald leitet sich vom schwäbischen Wort „Greit“ für gerodetes Land ab. Von den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts an galt das Gebiet als Bauerwartungsland, die Grundstücksbesitzer hofften auf große Gewinner. Doch Gutachten erklärten die Streuobstwiesen zum „ökologisch und optisch wertvollsten Bestand des Stuttgarter Stadtgebietes“. Ein Konflikt um die Zukunft der insgesamt 151 Hektar großen Fläche begann.

Der Gang ins Archiv anlässlich des runden Geburtstages ist für Jürgen Schedler, Biologe im Regierungspräsidium Stuttgart (RP), erhellend gewesen. Der Briefverkehr in den alten Akten aus den frühen 80er Jahren zeugt von einem zähen Ringen um das Gebiet. „Es gibt eine ganze Masse von Schreiben, die dem Ansehen des RP, ein Naturschutzgebiet auszuweisen, vehement widersprechen und genauso viele, die sich dafür aussprechen“, berichtet Schedler.

Große Teile befinden sich in Privatbesitz

Dass sich die Naturschützer durchsetzten, freut den Biologen. Denn der Greutterwald, historisch das dritte von sieben Naturschutzgebieten im Stadtgebiet, besticht durch seine Artenvielfalt. Viele seltene und gefährdete Tiere sind dort zu Hause, bei Untersuchungen fanden sich allein 80 unterschiedliche Insektenarten auf einem einzigen der rund 1400 Obstbäume. Ornithologen ermittelten genauso viele Vogelarten, darunter Pirole, Halsbandschnäpper und Wendehalse. Zudem flattern etwa 200 Schmetterlingsarten durch die Gegend.

Für Gerhard Pfeifer, den Regional-Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), ist der Greutterwald ein „Juwel vor der Haustür und ein Kleinod für Stuttgart, auf das wir stolz sein können“. Bemerkenswert nennt er den guten Zustand der Streuobstwiesen, die überwiegend in Privatbesitz seien, und doch einen sehr gepflegten Zustand machten. „Die Besitzer sind offensichtlich sehr motiviert“, sagt Pfeifer.

Ebenfalls in Privatbesitz sind große Teile des Maierwaldes im Westen des Naturschutzgebietes. Sie sind so unberührt, dass es sich in ihnen nach Angaben des Revierförsters Dieter Hagenmüller bisweilen so anfühle „wie im Urwald“. Ganz bewusst überlasse man in Waldrefugien, von denen es auch im Greutterwald eines gibt, die Bäume sich selbst. Ein Teil des Maierwaldes ist der private Tachensee, einst aus einer Gipskeuperdoline entstanden und heute der einzige verbliebene natürliche See in Stuttgart.

Zweifel am Bestand der Verträge

Getrübt wird die Freude über den Zustand des Naturschutzgebietes für den Bezirksbeirat Weilimdorf allein durch den Autoverkehr morgens und abends im Vicinalweg, der Gref- und Marconistraße verbindet. Auf Antrag der Grünen forderte das Gremium im März die Stadtverwaltung einstimmig auf, die Durchfahrt zu sperren und dem Schleichverkehr Einhalt zu gebieten. „Die Autos belästigen nicht nur Radfahrer und Fußgänger. Sie überfahren auch viele Kleintiere“, sagt Gerhard Pfeifer, der auch Grünen-Bezirksbeirat in Weilimdorf ist.

Aus dem Stuttgarter Rathaus kam Verständnis für das Ansinnen, das man für richtig halte, aber leider nicht umsetzen könne. Der Grund sind vier Jahrzehnte alte Verträge, wonach der Weg als Zufahrt für das ehemalige Firmengelände von Alcatel SEL zeitweise offen bleiben müsse, dies ungeachtet der Tatsache, dass sich Mitarbeiter- und Eigentumsverhältnisse längst geändert haben.

Die Grünen wollen sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben. Sie lassen die Gültigkeit der Verträge prüfen und zweifeln deren Bestand an. „Wir haben den Eindruck, dass die Stadt den Konflikt scheut“, sagt der Bezirksbeirat Michael Lateier.