Ein Mäusebussard hat scharfe Krallen. Meistens fliegt er bei Menschen nur Scheinattacken. Foto: dpa-Zentralbild

Immer wieder kommen sich Menschen und Greifvögel ins Gehege. Jetzt ist eine Joggerin in Dettingen attackiert worden. Doch Freizeitsportler müssen nicht auf das Laufen und Radeln verzichten. Sie sollten allerdings einige Regeln beachten.

Dettingen - Um 7.30 Uhr startet eine Joggerin am vergangenen Sonntag wie gewohnt zu ihrem morgendlichen Lauf auf ihrer Hausstrecke. Doch was eigentlich Routine ist, endet diesmal mit leichten Blessuren am Hinterkopf und einem gehörigen Schrecken. Die 42-Jährige wird während ihres Sportprogramms bei Dettingen von einem Greifvogel attackiert.

Nach 500 Meter geht es circa zwei Kilometer den Berg hinauf auf das Käppele. Der Weg führt durch mit Bäumen durchsetzte Wiesen. Kurz vor der Kuppe kommt der Joggerin ein Greifvogel frontal entgegen. Das Tier mit einer Flügelspannweite von mehr als einem Meter rauscht im Tiefflug über den Kopf der Frau hinweg. Die 42-Jährige ist zwar irritiert, läuft aber, die Kopfhörer auf und den MP 3-Player an, wie gewohnt ihr Tempo weiter.

Die 42-Jährige spürt einen Schlag gegen den Hinterkopf

Plötzlich spürt sie einen Schlag gegen den Hinterkopf. Die Joggerin geht fast zu Boden und weiß in diesem Moment überhaupt nicht, wie ihr geschieht. Den Vogel, der sie von hinten angegriffen hat, identifiziert sie später via Internet als einen Bussard. Aus Furcht vor weiteren Attacken flüchtet sie sich in eine nur 30 Meter entfernte Wetterschutzhütte. Die Mutter von drei Kindern ist erst einmal fertig mit den Nerven.

Genervt gewesen sein könnte auch das Bussard-Weibchen oder -Männchen. Üblicherweise, erklärt das Umweltministerium in Stuttgart, kommt es zu solchen Angriffen, wenn die Vögel in unmittelbarer Nähe brüten und einen Jogger als Gefahr für ihren Nachwuchs sehen. „Möglicherweise hat der betroffene Vogel später als üblich mit der Brut begonnen und daher jetzt noch Jungvögel zu versorgen“, so der Ministeriumssprecher Ralf Heineken.

Meistens handelt es sich um Scheinangriffe

Wieder zuhause klagt die Joggerin über Kopfschmerzen. Zwar blutet sie nicht, doch am Hinterkopf finden sich die Spuren von den Vogelkrallen. Sich in ärztliche Behandlung begeben muss sie nicht. Doch die Begegnung mit dem Bussard macht nachhaltigen Eindruck auf sie. Am eigenen Leib hat sie erfahren, was in ihrem Bekanntenkreis schon geschildert wurde. Bis jetzt meidet sie ihre sonst so vertraute Strecke.

In aller Regel, so die Auskunft aus dem Umweltministerium, kommen die Betroffenen mit dem Schrecken davon. Ein Angriff auf einen potenziellen „Nesträuber“ bedeute für den angreifenden Vogel ein hohes Risiko. Entsprechend handele es sich in den meisten dieser seltenen Fälle um Scheinangriffe. Komme es dennoch zu Verletzungen, seien diese meist leichterer Art.

Es gibt keine Statistik über Attacken von Greifvögeln

Weil Angriffe relativ selten und die Folgen harmlos seien, gibt es auch keine Statistik, weder landesweit noch auf das Verbreitungsgebiet unserer Zeitung bezogen. Ein Blick in das Archiv zeigt allerdings, dass unliebsame Begegnungen zwischen Mensch und Vogel auch in der Region Stuttgart immer wieder vorkommen. Hier einige wenige dokumentierte Beispiele: Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren wird ein Jogger bei Herrenberg (Kreis Böblingen) von einem Mäusebussard im Sturzflug angegriffen. „Ich habe mich dann weggeduckt und bin erst einmal einige hundert Meter zurückgesprintet“, berichtete der damals 22-Jahre alte Freizeitsportler. Damals erklärte der Stuttgarter Forstamtsleiter Hagen Dilling, dass Greifvogel-Attacken Warnrufe vorausgingen. Mit lautem Heavy-Metal- und Independent-Sound auf den Ohren wie jetzt bei der Frau aus Dettingen sind dieses Warnungen allerdings nur schwer zu vernehmen.

Vor zehn Jahren sind mehrere Fälle bekannt geworden, bei denen Jogger und Fahrradfahrer im Remstal (Rems-Murr-Kreis) Greifvögeln in die Quere gekommen sind, die sich das Eindringen in ihr Revier nicht ohne weiteres bieten lassen wollten. Auch aus Esslingen und Marbach (Kreis Ludwigsburg) sind solche Fälle dokumentiert. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer höher ist, weil etliche Attacken gar nicht gemeldet werden.

Von Zecken gehen größere Gefahren aus

Ist es auf weiter Flur oder im Wald gefährlich für Jogger, Radler und Spaziergänger? Jürgen Wippel vom Stuttgarter Ministerium für Ländlichen Raum gibt Entwarnung. Wer im Wald die angelegten Wegen nicht verlasse, müsse sich generell keine Sorgen machen – schon gar nicht wegen Wildschweinen. Durch den natürlichen Fluchtreflex der Tiere kämen Angriffe auf Menschen „praktisch nicht vor“, erklärt der Ministeriumssprecher.

Im Wald gingen Gefahren nicht von großen Wildtieren aus, sondern von kleineren Arten: Rötelmäuse (Hanta-Virus), Zecken (Borreliose, Meningitis) oder Füchse (Bandwurm) stellten als Überträger von Krankheitserregern für den Menschen ein ungleich höheres Risiko dar als Greifvögel oder Wildschweine.

Bussarde töten mit ihren Fängen, Falken mit ihrem Schnabel

Gattungen
Bei Greifvögeln wird nach Habichtartigen und Falkenartigen unterschieden. In die erste Kategorie fallen hierzulande Bussarde, Weihen, Habichte und Sperber. Zu letzterer zählen Turmfalken, Wanderfalken und Baumfalken. Bussarde erbeuten vor allem kleine Säugetiere, Habichte und Sperber vor allem Vögel. Habichtartige töten ihre Beute mit den Fängen, Falken benutzen dazu den Schnabel.

Brutzeit
Unsere heimischen Greifvögel haben nicht exakt dieselben Brutzeiten. Allen Arten gemeinsam ist jedoch, dass sie im Frühjahr brüten und ihren Nachwuchs bis zum Beginn des Sommers aufziehen.