Graffiti-Künstler haben am Wochenende das Jugendzentrum in Schorndorf neu gestaltet. Foto: Jan Potente

Für die Remstalgartenschau 2019 hat das Jugendzentrum Hammerschlag in Schorndorf einen neuen Look bekommen: 15 Graffiti-Künstler haben sich an der Fassade kreativ ausgetobt.

Schorndorf - Ein betäubender Geruch liegt in der Luft. Die Außenwände des Schorndorfer Jugendzentrums Hammerschlag sind mit Gerüsten verkleidet – und haben seit Freitagabend eine Wandlung vollzogen: Auf der Fassade prangen – teilweise verdeckt durch Gerüste – blau-grüne Buchstaben und Formen, über die gesamte Front des Gebäudes. Auch am Samstag und Sonntag zischen und klackern Spraydosen.

Beim Stichwort Graffiti mögen manche an hastig hingesprühte Kürzel oder Schmähworte denken, und an die viele Arbeit, die nötig ist, um dieselben wieder von der Wand zu entfernen. Die Aktion mit rund 15 Graffiti-Künstlern in Schorndorf ist dagegen nicht nur von der Stadtverwaltung gebilligt, sondern ausdrücklich gewünscht und die Materialkosten zu einem Drittel von der Bürgerstiftung finanziert.

Die einzige Vorgabe für die Sprayer: Blau und Grün

„Ein absolut geniales Projekt“, findet Ulrike Schwebel, die bei der Stadt Schorndorf das Projekt Gartenschau leitet. „Wir wollen für die Remstal-Gartenschau 2019 einige Ecken mit etwas Farbe aufwerten – das Jugendzentrum bot sich an.“ Denn direkt hier führt der Gartenschau-Radweg entlang, und Besucher, die sich Richtung Urbach aufmachen, können die Kunstwerke auf der Jugendzentrums-Fassade bewundern.

Hauptverantwortlich für die Aktion ist Frederik Merkt, aus Remseck, Grafikdesigner und Graffitikünstler – wobei er letzteres Wort weniger gern hört: „Zum Künstler fehlt mir irgendwie das Konzept dahinter“, sagt er bescheiden. Er und seine Mitstreiter – allesamt Freunde und seit zehn, manche auch seit 20 Jahren in der Sprayer-Szene aktiv – können ihrer Kreativität freien Lauf lassen.

Eine einzige Vorgabe haben sie dabei allerdings: Die Farben der Graffiti sind an die offizielle Farbgebung der Gartenschau-Werbung angelehnt. „Aber die Graffiti sehen nach Jugendzentrum aus. Sie werden schließlich noch da sein, wenn die Gartenschau schon lange vorbei ist“, erklärt Merkt. Dass sie aber so lange stehenbleiben wie ihre Vorgänger, die nach 20 Jahren schon sehr verblasst aussahen, ist fraglich.

Zuerst ein Fahrrad angesprüht – dann irgendwann Auftragsarbeiten

Gerade bei legalen Spray-Wänden, erzählt Merkt, seien Graffiti-Kunstwerke oft sehr kurzlebig. „Da kann es sein, dass man einen Tag später hingeht, um es zu fotografieren, und es ist schon übersprüht.“ Bei illegalen Graffiti sei das anders: „Dafür riskieren die Sprayer etwas – Übersprühen ist da nicht so gern gesehen.“

Für den heute 39-jährigen Merkt hat es mit dem Sprayen angefangen, als er als Jugendlicher sein BMX-Rad schwarz ansprühte. Es folgten unflätige Worte, hastig irgendwo in einen Steinbruch gesprüht. Und viele weitere, wesentlich anspruchsvollere Graffiti. Heute erledigt er Auftragsarbeiten – auch für die Gartenschau in Schorndorf hat er eine Wand an einem Spielplatz gestaltet.

Das Jugendzentrum besprühen er und seine Mitstreiter dagegen nicht für Geld, sondern für Farbe und die Freude daran, zusammen etwas zu gestalten. Überhaupt betont Merkt, heute nur noch legal zu sprühen. Trotzdem hat er auch für unerlaubte Kunstwerke Verständnis: „Was manche Leute schaffen, in einer Viertelstunde in der Dunkelheit auf einen Zug zu sprühen – das ist schon bewundernswert.“

Graffiti: Definition und Geschichte

Begriff: Als Graffiti, Singular Graffito, werden grafische Elemente bezeichnet, die im öffentlichen Raum angebracht werden – durch Aufsprühen, Aufmalen oder Einritzen. Oft geschieht dies unerlaubt – einige Städte haben deswegen Flächen eingerichtet, die den Sprayern legales Sprühen ermöglichen sollen.

Geschichte: Schon im alten Ägypten gab es Graffiti, die zum Beispiel auf Tempeln oder Statuen angebracht wurden. Das heute verbreitete sogenannte Style-Writing, also ästhetisch gestaltete Buchstabenkürzel und Pseudonyme, hat seine Wurzeln in der US-amerikanischen Hip-Hop-Kultur. Mitte der 1960er-Jahre erlangte ein junger Mann aus Philadelphia, Berühmtheit: Er kritzelte sein Pseudonym „Cornbread“ unter anderem auf einen Elefanten und auf den Privatjet der Musikgruppe Jackson 5. Die große Graffiti-Welle brach jedoch in New York los – spätestens, nachdem die New York Times 1971 über einen „Tagger“ namens Taki 183 berichtet hatte.