Eine Verurteilung halt das Gericht für unmöglich. Der Angeklagte ist schuldunfähig. Foto: dpa

Der Mann, der wegen eines Balls zwei Jungen mit einem Messer bedroht hat, ist schuldunfähig.

Grafenau - Das Schlusswort des Angeklagten war eine Entschuldigung: „Es tut mir hundertprozentig total leid.“ Der 50-Jährige war angeklagt, weil er zwei Kinder mit einem Taschenmesser bedroht hatte. Verurteilt werden durfte er nach Überzeugung des Landgerichts Stuttgart für diese und eine weitere Tat aber nicht.

Der Mann „leidet seit vielen Jahren unter Denk- und Wahrnehmungsstörungen“, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Tormählen. „Zusätzlich stand er deutlich unter Alkoholeinfluss“. Weshalb der 50-Jährige als schuldunfähig gilt. Gleichzeitig bescheinigte der Richter dem Angeklagten „Gefährlichkeit wegen der unseligen Mischung aus aus Alkohol und Krankheit“. Der Angeklagte war wegen anderer Taten längst polizeibekannt. Das Gericht hält es für zwingend, die Allgemeinheit vor weiteren Ausrastern zu schützen.

Schon andere Gerichte hatten auf eine Verurteilung verzichtet

Statt ins Gefängnis, haben die Richter den Mann in die Psychiatrie eingewiesen. Nach Einschätzung eines Gutachters kann er in etwa zwei Jahren therapiert sein und wieder entlassen werden. Ein Dutzend Mal hatte der 50-Jährige bereits in der Vergangenheit vor Gericht gestanden, zumeist wegen Taten, die unter den Oberbegriffen Vandalismus und Randale zusammenfassbar sind. Schon in anderen Verfahren hatten Gerichte wegen Schuldunfähigkeit auf eine Bestrafung verzichtet. Weitere Prozesse endeten mit Geldstrafen oder Haftstrafen über einige Monate.

Im Juli vergangenen Jahres hatte der 50-Jährige in Grafenau die beiden Jungen bedroht, weil er ihnen einen Fußball abnehmen wollte. Dies scheinbar grundlos. Die Jungs, damals zehn und elf Jahre alt, kamen vom Kicken und waren mit einer Gruppe unterwegs, die an einer Tankstelle Eis kaufen wollte.

Der Angreifer hatte behauptet, er sei Soldat und „vielleicht nicht in diesem Wortlaut, aber sinngemäß gesagt, sie sollen den Ball herausgeben, sonst sticht er sie ab“, sagte Tormählen. Die Jungs wichen zurück. Der Mann gab seine Absicht auf und sagte schlicht: „Dann kauft euch ein Eis.“

Ebenfalls verhandelt wurde wegen einer Rangelei nach einem Live-Konzert. Dort war der 50-Jährige mit den Veranstaltern in Streit geraten und wollte einem Mann ein halbvolles Bierglas an den Kopf werfen. Der Angegriffene wich aus. Die Veranstalter riefen die Polizei. Im ersten Fall hatte der Angeklagte behauptet, ein Doppelgänger habe die Jungen bedroht, im zweiten, dass er angegriffen worden war und sich nur gewehrt hatte.

Der Verteidiger versucht nicht, die Zwangseinweisung zu verhindern

Das Gericht glaubte beides nicht, wertete die Messerattacke aber als minder schweren Fall, weil der 50-Jährige die Tat von sich aus abgebrochen und die Jungen nicht weiter bedrängt hatte. Damit folgten die Richter den Argumenten des Verteidigers Vincenzo Spitale. Allerdings spielte die strafrechtliche Bewertung für das Urteil letztlich keine Rolle. „Ich schließe mich der Staatsanwaltschaft an“, hatte Spitale zu Beginn seines Schlussplädoyers gesagt. Der Verteidiger versuchte nicht einmal, die Zwangseinweisung zu verhindern. „Es ist das Beste für meinen Mandanten“, sagte er, „so will er es auch selbst“.

Gemäß der Überzeugung des Sachverständigen verliert der 50-Jährige wegen seiner geistigen Krankheit immer wieder die Kontrolle über sein Tun. Allerdings sei der Mann selbst nicht davon überzeugt, krank zu sein. Wegen dieser fehlenden Einsicht seien bisherige Therapieversuche gescheitert. „Es besteht keine Gewähr, dass der Beschuldigte seine Medikamente regelmäßig einnimmt und keinen Alkohol mehr trinkt“, sagte Tormählen. Ein mögliches Urteil wäre auch der zwangsweise Alkoholentzug gewesen. Diese Alternative hielt das Gericht allerdings nicht für erfolgversprechend. Die Krankheit sei eine der Ursachen dafür, dass der Mann zur Flasche griff.