Nicole Ebinger-Rist und Foto: factum/Granville

Aus einer 2600 Jahre alten Grabkammer, die Ende 2010 frei gelegt worden ist, stammen kostbarste Funde. Im Herbst werden sie der Öffentlichkeit präsentiert.

Ludwigsburg - Mit einer Stachelschweinborste entfernt Nicole Ebinger-Rist in Bauchlage behutsam die letzten Erdreste. Jetzt sei sie dann doch ziemlich nervös, sagt die Diplomrestauratorin. Habe sie die Vorderseite des rund 30 Zentimeter langen Goldbandes bislang doch nur mit Hilfe eines Dentalspiegels betrachten können. „Faszinierend, selbst der Verschluss ist noch intakt“, sagt sie, als sie das Schmuckstück, das um 600 vor Christus wohl als Ohrring gedient hat, schließlich in ihren von Gummihandschuhen umschlossenen Händen hält. Neben ihr liegt Ingo Rust (SPD), der assistieren darf und sagt, dass für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung gehe. „Eigentlich wollte ich mal Archäologe werden“, erklärt der Staatssekretär im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft.

Nervosität und Freude lösen bei den Forschern an diesem Nachmittag zwei große, filigran gearbeitete Schmuckstücke aus – der Ohrring und eine massivgoldene Gewandspange. Beide stammen aus der Grabkammer einer vor etwa 2600 Jahren bestatteten frühkeltischen Fürstin. „Eine der spektakulärsten archäologischen Entdeckungen in Deutschland“, wie Rust vor der medienwirksam inszenierten Schmuckbergung versichert hat.

Grabkammer wird frei gelegt und untersucht

Ende 2010 war die 4,5 mal 3,6 Meter große Grabkammer in einem Maisfeld in Sichtweite der keltischen Heuneburg (Kreis Sigmaringen) frei gelegt und en bloc nach Ludwigsburg transportiert worden. Dort wird das 80 Tonnen schwere Relikt seit etlichen Wochen unter Laborbedingungen und Einsatz modernster Methoden von einem Team aus Archäologen, Restauratoren und Naturwissenschaftlern des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Schicht für Schicht frei gelegt und untersucht.

Claus Wolf, der Abteilungspräsident des Landesamtes für Denkmalpflege, erinnerte bei der Präsentation in Ludwigsburg an den letzten ähnlichen Fund im Land – das Grab eines Keltenfürsten in Hochdorf, das 1977 entdeckt worden war. „Das Grab hier ist der wichtigste Fund seither und eine wunderbare Ergänzung dazu“, so Wolf. Zum einen handle es sich dieses Mal bei der bestatteten Person um eine Frau, etwa 1,65 Meter groß und um die 30 Jahre alt. „Ein Frauengrab für die höchste gesellschaftliche Elite damals.“ Dies zeigt sich vor allem daran, dass die Tote mit reichlich Schmuck ausgestattet worden war – Bronzefußringe, Bernstein- und Goldschmuck. Nach Expertenmeinung lässt die außergewöhnlich hohe kunsthandwerkliche Qualität der Grabbeigaben auf intensive Kontakte der frühkeltischen Elite zu den Etruskern Mittelitaliens schließen.

Ganz anders als in Hochdorf sei zudem die sogenannte Feuchtbodenerhaltung des Grabes. „Das bedeutet, dass organisches Material, also Textilien, Gewebe, botanische Reste, noch erhalten ist“, sagt Wolf. So habe man bisher neben rund 25 Schmuckstücken aus Gold auch zwei in Bronze eingefasste Eberzähne und Tierhaare gefunden. Die Experten vermuten darin Überbleibsel eines Pferdewagens. Zudem sei es das erste unberaubte Grab mit einer noch erhaltenen Holzkammer, wodurch man das Alter des Fundes exakt bestimmen könne.

Fundstücke werden ausgestellt

„Es ist besonders schön, dass wir die Funde im Jahr der Kelten präsentieren können“, sagte Staatssekretär Rust bei der Präsentation. Denn im Herbst beginnt in Stuttgart die größte Keltenausstellung des Landes seit dreißig Jahren. Dort sollen auch die prachtvollsten und wissenschaftlich wertvollen Fundtücke aus der Heuneburg-Grabkammer gezeigt werden.