Die anmutige Amy, idealisierte Vorlage ihrer Eltern für die Hauptfigur einer beliebten Kinderbuchreihe, schreibt mit extrem spitzer Feder Tagebuch – Rosamund Pike in „Gone Girl“ Foto: Verleih

Mit ihrem Psycho-Thriller einer vergifteten Paar-Beziehung ist US-Autorin Gillian Flynn 2012 ein Roman-Bestseller gelungen. Mal allwissend, mal aus der Sicht ihrer Hauptfiguren, malt sie schillernd aus, woran Zweisamkeit und Eheleben kranken können. Nun hat Genre-Spezialist David Fincher das Buch verfilmt.

Filmkritik zum Kinofilm "Gone Girl"

Nicks Frau Amy verschwindet am fünften Hochzeitstag, und nichts stimmt am Tatort – genau wie in Nicks Leben, wie sich herausstellt. Wie an jedem Hochzeitstag hat Amy eine kleine Schnitzeljagd für Nick inszeniert, doch diese nun liefert Hinweise, auch für die Polizei. Ein perfides Spiel beginnt, und bald steht Nick unter Mordverdacht.

Mit ihrem Psycho-Thriller einer vergifteten Paar-Beziehung ist US-Autorin Gillian Flynn (43) 2012 ein Roman-Bestseller gelungen. Mal allwissend, mal aus der Sicht ihrer Hauptfiguren, malt sie schillernd aus, woran Zweisamkeit und Eheleben kranken können. Nun hat ein Genre-Spezialist das Buch verfilmt: David Fincher, Schöpfer von „Sieben“ (1995), „Fight Club“ (1999) und der Polit-Serie „House Of Cards“ (2013).

Flynn hat das Drehbuch selbst geschrieben und den unterschwelligen Grusel bewahrt. Fincher musste die Psycho-Schraube gar nicht weit anziehen, er hat sogar als Kontrast Handlung und Figuren in scheinbare Normalität gebettet – was umso haarsträubender wirkt.

Die Vorgeschichte, Rückblenden und Erzählungen der Tagebuch schreibenden Amy setzt Fincher souverän in Szene: die erste Begegnung der beiden auf einer Party, das vermeintliche Traumpaar im New Yorker Loft, beider Arbeitslosigkeit, der Umzug nach Missouri zu seiner kranken Mutter, die allmähliche Erosion von Liebe und Respekt.

Ebenso schleichend schwindet die Sympathie, die die Zuschauer für beide anfangs zu empfinden versucht sind. Nick entpuppt sich als unsensibler, ambitionsloser Schwachkopf ohne Tiefgang, sein Charme als aufgesetzt. Ben Affleck erweckt den unbeholfenen, sich selbst überschätzenden Choleriker zu prallem Leben, der neben dem Porträt seiner vermissten Frau einen Augenblick zu lang strahlend grinst und auch sonst sehr viel falsch macht.

Die gebürtige New Yorker Großstadtpflanze Amy ist in dem verschlafenen Provinzkaff am Mississippi nie richtig angekommen. In ihrer ersten wirklich bemerkenswerten Hauptrolle verleiht Rosamund Pike der Figur Liebreiz, Anmut und eiskalte, berechnende Intelligenz. Mit Silberblick beherrscht Amy nach Belieben das Ensemble, die Szenerie, den Film und entfaltet dabei ein beängstigendes Charisma. Auch äußerlich stimmt an ihr jedes Detail, die adretten Kleidchen, ihre feine Handschrift, die spitzen Federn mit Plüsch- und Schmetterlingsverzierungen.

Neil Patrick Harris, Anti-Held der Sitcom „How I Met Your Mother“, spielt einen obsessiven Snob, Tyler Perry Nicks aalglatten Anwalt. Nur Carrie Coon bleibt ein wenig blass als Nicks Zwillingsschwester Margo.

Weder Amy noch Nick wären freilich denkbar ohne die Prägungen der sie umgebenden Welt. Seit sie denken kann, erwehrt sich Amy Vergleichen mit der idealisierten Version ihrer selbst, die ihre unerträglich einnehmenden Eltern zur Hauptfigur einer beliebten Kinderbuchreihe gemacht haben. In Nick wirken die Bösartigkeiten eines lieblosen Vaters nach, den Margo und er nun zur Strafe im Heim schmoren lassen.

Flynn und Fincher zeichnen die Welt als Panoptikum, nach Skandalen gierend und gesteuert durch manipulative Medien. In deren Arenen lauern hysterisch sich verbeißende Bluthunde, die Daumen heben oder senken wie Imperatoren. Was hier allein zählt, ist die Selbstinszenierung: Am Ende überlebt, wer es versteht, sich zu verkaufen.

Was sonst noch im Kino in Stuttgart läuft, finden Sie in unserem Kino-Programm.