Mario Haschke, Tina Roman und Tobias Kurka setzen den Noxy-Prüfstand auf die Anhängerkupplung. Foto: Ines Rudel

Studierende haben am Göppinger Hochschulstandort einen mobilen Dieselprüfstand gebaut, denn die bisherigen Prüfungen finden unter unrealistischen Laborbedingungen statt.

Göppingen - Die Testfahrt ist ein gemütliches Tuckern. Besser gesagt: Sie ist nur dort möglich, wo die Straßen leer sind. Von Null auf Tempo 32 in zehn Sekunden, in 30 Sekunden auf 50 oder in 40 Sekunden auf 70 Stundenkilometer: solche Schleichgänge hätte selbst ein schwach motorisierter und voll beladener VW Käfer vor 40 Jahren nur schwerlich einhalten können. Doch genau diese Fahrzyklen gehören heutzutage zum Programm, wenn es auf Prüfständen von Automobilkonzernen darum geht, die Abgaswerte ihrer Modelle zu ermitteln, um diesen den unterschiedlichen Euro-Normen zuordnen zu können.

„Was dort simuliert wird, entspricht schlicht nicht der Realität“, sagt Markus Ledermann. Der Esslinger Hochschulprofessor, der auf dem Göppinger Campus an der Fakultät Mechatronik und Elektrotechnik lehrt, weiß natürlich, dass dies mittlerweile schon so etwas wie Allgemeinwissen ist. Abfinden müsse man sich damit allerdings nicht, sagt er, und so wurde in der Robert-Bosch-Straße – just als der VW-Abgasskandal aufgeflogen war – das Projekt „NOxy“ auf den Weg gebracht. Wie diese Abkürzung deutlich macht, geht es dabei hauptsächlich um das Ermitteln von Stickoxid-Werten, die von einem Auto unter Realbedingungen aus dem Auspuff geblasen werden. „Der Grundgedanke war, dass es nicht so schwer sein kann, Emissionen im regulären Betrieb zu messen“, erklärt er.

Keine „super komplizierte“ Technik erforderlich

Vier Gruppen von Studierenden haben über vier Semester hinweg an dem Projekt gearbeitet. Inzwischen hat der mobile Dieselprüfstand seine ersten Einsätze hinter sich – und liefert Ergebnisse, die aufhorchen lassen. So wurden bei den Versuchsrunden mit unterschiedlichen Dieselfahrzeugen die für deren Einstufung angegebenen Abgaswerte in den allermeisten Fällen um ein Vielfaches überschritten. „Wir können zwar die Marken und Typen nicht nennen, weil unser Gesamtsystem nicht kalibriert ist und wir da in nix reinkommen wollen, aber wenn es solche Abweichungen gibt, ist es natürlich schon erschreckend“, betont Mario Haschke, ein angehender Wirtschaftsingenieur und Sprecher der jetzigen „NOxy“-Gruppe.

„Vom Technischen her ist das alles nicht super kompliziert“, fügt sein Kommilitone Andreas Schmid hinzu, der Mechatronik und Automatisierungstechnik (M/A) studiert. So wurde ein Gestell konstruiert, das sich an jeder Anhängerkupplung befestigen lässt. Auf diesem stehen zwei Kisten. Durch die eine Box führt ein Schlauch, die am Auspuff befestigt ist und in der ein Sensor die Abgaswerte misst. In der anderen werden die Daten aufgezeichnet und per Bluetooth an einen Mikrocontroller übertragen, der wiederum mit dem Fahrzeug verbunden ist. „Eine normale Zwölf-Volt-Steckdose genügt dafür“, sagt Tobias Kurka, ebenfalls M/A-Student. Im Anschluss würden die Daten dann auf dem Laptop noch in eine Excel-Tabelle überführt und ausgewertet, ergänzt Tina Roman, die Mechatronik und Elektrotechnik studiert.

Die Fahrkünste des Prodekans sind gefordert

Für die ultimative Testfahrt stellt der Prodekan der Fakultät, Wolf-Dieter Lehner, seinen neuen Van mit sieben Sitzen und Euro-6 -Norm zur Verfügung. Auf der 20 Kilometer langen Tour sind die Fahrkünste des Professors gefordert. Zyklenrelevante Abschnitte, wie auf dem Prüfstand, sind dabei ebenso zu absolvieren wie „normales“ Beschleunigen und Verzögern. „Deshalb kann auch keine Software erkennen, dass es sich um eine Testfahrt handelt“, nennt Andreas Schmid den Grund für die Kombination, deren Ergebnisse am Schluss ein Gesamtbild ergeben.

Lehners Wagen liegt nur minimal über dem Sollwert. „Auf diese Art und Weise fährt aber natürlich kein Mensch Auto“, muss er zugeben. Dass die anderswo eingesetzten Systeme anders messen, komme erschwerend hinzu, erklärt er. „Unsere Studenten haben das so ausgetüftelt, dass sie die Zahlen separieren und den einzelnen Fahrzuständen zuordnen können, die einem realen Betrieb entsprechen.“