Viele Stadträte sind sauer auf Oberbürgermeister Guido Till (hier bei seiner Kandidatur für die zweite Amtszeit vor drei Jahren). Foto: Rudel

Der Streit um die Ausschreibung der Sozialbürgermeisterstelle wird immer heftiger. Oberbürgermeister Guido Till sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe Halbwahrheiten verbreitet. Wenig später stehen die Kritiker selbst in der Kritik.

Göppingen - Das Tauziehen um die Ausschreibung der Sozialbürgermeisterstelle in Göppingen wird immer verworrener. Jetzt steht der Vorwurf im Raum, der Oberbürgermeister Guido Till habe die Stadträte bei Diskussionen über das Thema mit Halbwahrheiten abgespeist. Till selbst nimmt dazu keine Stellung, sein Sprecher Olaf Hinrichsen wehrt die Vorwürfe ab.

Bisher gab es zwei Lager im Gemeinderat: Eine Allianz aus FWG, SPD, FDP/FW und Lipi, die sich dafür stark macht, die Stelle zusammen mit der Funktion des Ersten Bürgermeisters auszuschreiben. Dies, so ihr Argument, würde mehr und fähigere Kandidaten anlocken. Die Grünen und die CDU hingegen scheinen Tills Vorschlag zuzuneigen. Er möchte die Stelle ohne diese Funktion ausschreiben. Die Stadträte sollen erst später entscheiden, wer Erster Bürgermeister wird. Till will, dass diese Funktion dem Baubürgermeister Helmut Renftle übertragen wird. Denn auf diese Weise könne Renftles Amtszeit verlängert werden, der wegen der Altersgrenze eigentlich in drei Jahren aufhören muss.

Theoretisch könnten die Stadträte beides haben

Nun ist bekannt geworden, dass es – zumindest rein rechtlich – noch eine dritte Möglichkeit gibt: Renftle könnte sich auch ganz einfach auf eine weitere Amtszeit bewerben. Die Stadt müsste das Amt dazu kurz bevor er die Altersgrenze von 68 Jahren erreicht, neu ausschreiben. Würde Renftle erneut von den Stadträten gewählt, würde eine Neuregelung der Altersgrenze für ihn in Kraft treten und er könnte bis maximal 73 arbeiten.

Theoretisch könnten die Stadträte also beides haben: Die Ausschreibung der Sozialbürgermeisterstelle mit der Zusatzfunktion und eine verlängerte Amtszeit des Baubürgermeisters. Doch dies ist in den bisherigen Diskussionen offenbar kein Thema gewesen, obwohl die Stadt sich eigens beim Regierungspräsidium erkundigt hatte, wie man Renftle länger im Amt halten könnte. Die Behörde habe der Stadt am Montag, 17. Oktober, beide Alternativen mitgeteilt, berichtet deren Sprecherin Katja Lumpp.

Dennoch hat der Oberbürgermeister Guido Till in einem Schreiben an die Stadträte am 20. Oktober nur die ersten beiden Alternativen dargestellt und sich dafür stark gemacht, Renftle zum Ersten Bürgermeister zu wählen. Er schreibt: „Diese einmalige Chance, die reichhaltige Ortskenntnis und -verbundenheit sowie die langjährige berufliche Kompetenz von Helmut Renftle an die Stadt zu binden, sollten wir uns nicht von vorneherein verbauen.“ Zu einer Ausschreibung als Erste Bürgermeisterstelle, heißt es: „Auch eine Verlängerung der Amtszeit von Baubürgermeister Helmut Renftle ist damit ausgeschlossen.“

CDU stellt sich hinter Till

Viele Stadträte geben sich nun empört und werfen Till vor, er habe versucht, seinen Willen mit Halbwahrheiten durchzusetzen. Einige mutmaßen, dass Till nicht nur den Baubürgermeister halten will, sondern außerdem versucht, eine Bewerbung der bekannten Schwäbisch Haller Sozialbürgermeisterin Bettina Wilhelm zu verhindern, weil er die Konkurrenz der versierten Politikerin fürchte.

„Ein solches Verhalten ist eines solchen Amtes unwürdig“, sagt etwa der FWG-Fraktionschef Emil Frick. Er habe als dienstältester Stadtrat auch die drei Vorgänger Tills erlebt, und keiner habe sich je so benommen. Der Oberbürgermeister beschädige nicht nur sein Amt, sondern auch die Stadt und den Gemeinderat. Andere Stadträte äußern sich ähnlich.

Der CDU-Fraktionschef Felix Gerber hingegen erklärt, bei den Vorwürfen handle es sich um „Volksverdummung“. Denn Till habe die Stadträte sehr wohl über die jetzt erst öffentlich bekannt gewordene dritte Alternative informiert. Es sei aber klar gewesen, dass Renftle nicht noch einmal kandidieren wolle. Deshalb sei über die dritte Alternative nicht mehr weiter diskutiert worden.

Abweichende Erinnerung an Ältestenratssitzung

Der Sprecher der Stadt, Olaf Hinrichsen, stößt ins selbe Horn. Er schreibt: „Den Vertretern aller Fraktionen wurden Mitte Oktober alle rechtlich in Betracht kommenden Varianten vorgestellt.“ Die dritte Möglichkeit sei in dem Schreiben an die Stadträte nicht mehr erwähnt worden, weil es faktisch keine Alternative sei. Die Verwaltung sei davon ausgegangen, dass die Vertreter der Fraktionen diese darüber bereits informiert hätten.

Im Gegensatz zu Gerber und Till haben andere Stadträte abweichende Erinnerungen an die Ältestenratssitzung, in der es um diese dritte Alternative gegangen sein soll. Sie berichten, das Thema sei von Stadträten aufgebracht, aber von Till sofort abgewiegelt worden. Im Übrigen dürfe man aus diesen Sitzungen eigentlich nichts ausplaudern, nicht einmal bei den eigenen Fraktionskollegen. Aus ihrer Sicht hätte OB Till deshalb in seinem Schreiben an die Stadträte und in der Vorlage für die Entscheidung über die Ausschreibung über die dritte Möglichkeit informieren müssen. Zumal auch die Öffentlichkeit über alle Alternativen informiert werden müsse. An diesem Donnerstag wird das Thema erstmals öffentlich in einer Ausschusssitzung besprochen.