Gelatine ist ein Lebensmittel: Auch an der neuen Hydrolysatanlage der Gelita in Göppingen gelten höchste Hygienestandards Foto: Horst Rudel

Die Firma Gelita hat den Kühlschmierstoff Novotec entwickelt, durch dessen Einsatz auf mineralische Öle verzichtet werden kann. Auch in Göppingen wird das aus Fleischabfällen hergestellte Produkt produziert.

Göppingen - Die neue 400 000 Euro teure Hydrolysatanlage bei der Göppinger Gelita läuft auf Hochtouren. In den Firmenhallen an der Großeislinger Straße wird Qualitätsgelatine gemacht. Es ist laut und warm. Die angelieferten Schweineschwarten müssen gewaschen werden. Das Fett wird abgeschieden, ehe die Anlage Proteine extrahiert. Ein Rohstoff, der für das Unternehmen immer wichtiger werden könnte. Mit ihrem Produkt Novotec hat die Gelita kürzlich eine jahrelange Entwicklung mit Feld- und Serienversuchen abgeschlossen, die gleich auf mehreren Feldern für Furore sorgen könnte.

Wo im großen Stil gebohrt, gefräst, und geschliffen wird, muss auch gekühlt und geschmiert werden. In der Industrie werden dazu in aller Regel Mischungen aus Wasser, Öl und chemischen Substanzen eingesetzt. „Das ist allerdings so, als würde man vor dem Duschen einen Regenmantel anziehen“, wählt Matthias Reihmann, der Leiter der Produktentwicklung und das Produktmanagements bei der Firma Gelita, einen plastischen Vergleich. Das Problem sei, dass sich Öl und Wasser dennoch nicht sauber verbinden ließen. „An den bearbeiteten Oberflächen bleiben deshalb Rückstände haften, und die Werkzeuge verschleißen schneller. Von der Umweltbelastung ganz zu schweigen“, erklärt Reihmann. Dass sich ausgerechnet ein Gelatinehersteller mit diesem Thema beschäftigt, sei der Frustration geschuldet. „Wir hatten damit bei den eigenen Maschinen zu kämpfen und wollten unsere Möglichkeiten nutzen, das zu ändern“, ergänzt er.

Weltweit werden 2,3 Millionen Tonnen an Kühlschmierstoffen eingesetzt

Der Rückgriff auf Proteine schien den Experten dabei sinnvoll: wasserbasiert, biologisch abbaubar, emissionsarm, allergenfrei und obendrein hautfreundlich. Was sich anhört, als ginge es um ein Körperpflegemittel, wird von namhaften Maschinenherstellern wie Heidelberger Druck, aber auch von Automobilfirmen als Kühlschmierstoff erfolgreich eingesetzt. Da sich die Proteine aber nicht nur mit den zu behandelnden Oberflächen, sondern eben auch mit Wasser verbinden, kann Novotec ebenso als wichtiger Zusatz für Putz- und Reinigungsmittel verwendet werden.

Uwe Kämmner, der im Göppinger Gelita-Werk die Geschäfte führt, ist froh, dass die Traditionsfirma diesem Feld zugewandt hat. „Ich war selbst lange bei Automobilzulieferern tätig und weiß um die Ansprüche, die es dort gibt, aber auch um das Umdenken, das stattfindet.“ Mit Novotec lasse sich ein Bereich auf Vordermann bringen, der immer wieder für Probleme und vor allem für hohe Kosten sorge, nicht zuletzt bei der Entsorgung. Ein Blick auf die Zahlen macht deutlich, was Kämmner meint. So werden allein in diesem Jahr weltweit etwa 2,3 Millionen Tonnen an Kühlschmierstoffen eingesetzt. Was sich da an wertvollem Öl sparen ließe, liegt selbst für den Laien auf der Hand. Und noch ein Punkt ist dem Göppinger Gelita-Chef wichtig: „Wir verwenden hochwertige Nebenprodukte, die bei der Schlachtung von Tieren für den Fleischkonsum anfallen. Durch unsere Produktionsprozesse selbst entstehen kein Abfall.“

Ein gängiges System zu verändern, dauert seine Zeit

Bewusst ist den Verantwortlichen des Gelatine-Herstellers indes, dass mit Novotec in ein gängiges System eingegriffen wird. Deshalb werde es auch dauern, die potenziellen Kunden zu überzeugen, betont Michael Teppner, der Marketing-Chef des Gesamtunternehmens, das seine Zentrale in Eberbach im Rhein-Neckar-Kreis hat. „Ich habe dafür allerdings Verständnis, weil wir ja auch nicht irgendeine neue Flüssigkeit in unsere Maschinen schütten würden, die womöglich einige Millionen Euro gekostet haben.“ Zuversichtlich ist er jedoch, dass der natürliche Kühlschmierstoff letztlich im Wettbewerb bestehen kann. „Jeder weiß, dass wir als typischer Mittelständler nicht zuletzt auf schwäbischen Tugenden setzen. Sprich: Wir tun das, was wir können. Und wir würden keine noch so tolle Innovation auf den Markt bringen, wenn sich damit kein Spareffekt für den Nutzer umsetzen ließe“, sagt Teppner.

Eine schlechte Nachricht zu Novotec hat der Produktentwickler Matthias Reihmann am Ende aber doch noch zu verkünden: Man sei bei Gelita zwar dran, reine Öle auch in anderen Segmenten durch Novotec zu ersetzen. „Bei Motor- und Getriebeöl wird das aber nicht gelingen. Proteine gehen eben nun mal nur mit Wasser“, sagt der promovierte Chemiker. Man würde den Autofahrern also sicher keinen Gefallen tun, wenn es bei den hohen Temperaturen im Motor nur noch dampfe, aber weder kühle noch schmiere.