Die Therapeutinnen Dominique Tolo-Litschgy (li.) und Kara Herbert unterstützen Leonie Foto: Ines Rudel

Esel, Kaninchen, Hühner und Pferde helfen großen und kleinen Patienten dabei, ihr Schicksal zu meistern.

Göppingen - Valentina“ – in den Ohren von Leonies Mutter klingt dieses Wort wie Musik. Denn Leonie spricht kaum, obwohl sie schon sechs Jahre alt ist. Die Zwergeselstute Valentina aber schafft, was Menschen nicht hinbekommen. Sie entlockt Leonie Worte, manchmal sogar ein helles „Jippie“. Leonie leidet seit einer Impfung im Säuglingsalter an epileptischen Anfällen. Im Vergleich mit Gleichaltrigen liegt sie in ihrer Entwicklung weit zurück. Doch seit sie zur tiergestützten Therapie im Praxis-Zentrum der Göppinger Klinik Christophsbad auf dem Freihof geht, macht sie Fortschritte, die ihre Mutter Anne Lorenz (Name geändert) nicht für möglich gehalten hätte. „Alles hat sich verändert, sie hat immense Fortschritte gemacht, vor allem sprachlich.“

Das therapeutische Reiten gehört traditionell zum Angebot der Klinik für Psychiatrie und Neurologie. Vor Kurzem haben sich zu den vier Therapiepferden aber noch zwei Zwergziegen, zwei Zwergkaninchen und die zwei Zwergesel Valentina und Peggy gesellt. Gerade für Kinder seien kleinere Tiere oft besser, sagt Katrin Hofmann, die das Praxis-Zentrum leitet. Die Esel seien ruhiger und würden im Gegensatz zum Fluchttier Pferd bei Gefahr eher stehen bleiben. Ein großer Vorteil vor allem für die Arbeit mit Kindern. Tatsächlich ist Valentina durch nichts zu erschüttern. Wenn sich Leonie beim Putzen etwas ungeschickt verhält, dann stört es sie überhaupt nicht. Sie findet die Heukrümel am Putzplatz viel interessanter als alles andere.

Tiere haben keine Vorurteile

Dass Tiere bei Menschen mit welchen Handicaps auch immer kleine Wunder bewirken können, hat Katrin Hofmann schon oft erlebt. Vor allem schwer depressive Menschen reagierten äußerst positiv auf die Tiere. „Viele erzählen, auf den Freihof zu kommen sei das Einzige, was sie wirklich freue“, sagt sie und berichtet von einem schwer depressiven Patienten, der stets mit gesenktem Kopf im Rollstuhl saß. Als er aber die Pferde auf dem Freihof hinter einem Koppelzaun sah, richtete er sich auf, um sie zu streicheln. „Das war einfach unglaublich“, sagt Katrin Hofmann. Den direkten Zugang, den Tiere zu Menschen finden, führt sie darauf zurück, dass Tiere vorurteilsfrei sind. Und natürlich gebe es eine Affinität des Menschen zu Tieren. „Die meisten wollen ein Tier auch streicheln, das steckt in uns Menschen drin.“ Diese Anziehungskraft lässt sich in der Therapie nutzen. So konfrontiert Katrin Hofmann hyperaktive Kinder gerne mit den Hühnern. „Wenn die Tiere wild im Gehege rumrennen, dann bekommen die Kinder eine sofortige Reaktion auf ihr Verhalten. Sie lernen, dass sie die Tiere nur füttern können, wenn sie die Hand ruhig hinhalten.“

„Jippie“ – es hat zu regnen begonnen, Leonie ist im Glück. Wasser und Valentina, besser kann es nicht sein. Die Heilpädagogin Dominique Tolo-Litschgy fordert das Mädchen auf, erst eine Hand nach oben zu strecken, dann die andere und sich frei auf dem Eselsrücken auszubalancieren. Mit jedem Schritt gelingt das besser; Anne Lorenz erzählt, dass sie sich nun auch traue, Leonie mal loszulassen. „Früher habe ich sie immer geführt, weil ich Angst hatte, sie könnte fallen.“ Schade findet sie nur, dass die Krankenkassen häufig die Kosten für die tiergestützte Therapie nicht übernehmen. „Wir könnten uns das nicht leisten, aber wir haben das Glück, dass uns eine Patientenstiftung unterstützt“, erzählt sie.

Selbstständigkeit wird gefördert

Es ist erstaunlich, was der Ausflug auf dem Esel bewirkt. Leonie steht nach dem Absitzen viel sicherer auf ihren Beinen. Sie schafft es sogar, mithilfe ihrer Therapeutin, die auch diesmal nicht locker lässt, die Hufe des Esels auszukratzen. Und wenn es mal nicht so klappt, dann ermutigt Dominique Tolo-Litschgy das Kind – und siehe da, Leonie schafft es sogar, mit ein wenig Unterstützung die Putzkiste zu schließen.

Nicht nur Patienten des Christophsbads werden auf dem Freihof behandelt. Immer häufiger schicken auch Kinderärzte ihre Patienten zur tiergestützten Therapie. „Häufig kommen hyperaktive Kinder, Frühchen mit Entwicklungs- und Sprachstörungen, vernachlässigte Kinder“, sagt Katrin Hofmann. Positive Erfahrungen hat sie auch bei einem Projekt mit Flüchtlingskindern gemacht. Die Tiere hätten auch diese Menschen erreicht – ungeachtet aller sprachlichen Hindernisse.