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Automatenspiel im Land verzeichnet große Zuwächse - staatliche Kasinos benachteiligt.

Stuttgart -  Wer Bürgermeister in Baden-Württemberg nach dem Thema Spielhalle fragt, darf sich nicht wundern, wenn sich das Gegenüber ganz schnell wegduckt oder die Haare rauft. Allüberall schießen sie wie Pilze aus dem Boden, und wenn die jeweilige Kommune nicht ein baurechtliches Mittel gegen die Ansiedlung hat, bleibt im Regelfall nur die Genehmigung. "Wir sehen die Entwicklung mit einer gewissen Besorgnis", sagte Manfred Stehle, Sprecher des Städtetags, am Mittwoch zum aktuellen Boom der Spielhallen. Vor allem bei der Frage des Jugendschutzes mehren sich die Sorgenfalten auf der Stirn manches Stadtoberhauptes. Denn im Gegensatz zu den Spielbanken, für die es unter 21 Jahren keinen Zutritt gibt und in die auch nur der reinkommt, der seinen Pass vorlegen kann, gilt in vielen Spielhallen allenfalls das Prinzip des Blickkontakts. Wer volljährig wirkt, darf hinein. Ob er es wirklich ist, wird nicht immer hinterfragt.

Aber genau das macht nicht nur den Kommunen, sondern auch den Spielbanken im Land zunehmend zu schaffen. Die Zahl der Spielhallenstandorte ist binnen vier Jahren von 732 auf fast 1000 gestiegen, die Zahl der Spielhallengeräte von 8300 auf rund 15200. So etwas bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Umsatzzahlen. Zwar wird auch in den drei staatlichen Kasinos in Stuttgart, Baden-Baden und Konstanz seit Jahren das Automatenspiel an zusammen rund 470 Geräten angeboten. Aber die Geschäfte gehen immer schlechter. Ein Blick in die offizielle Bilanz der drei Spielbanken belegt das. Während die Bruttospielergebnisse im klassischen Tischspiel - zum Beispiel Roulette - in den vergangenen Jahren vergleichsweise minimal gesunken sind, mussten die Kasinos in ihrem Automatenspiel empfindliche Einbußen verkraften. 2006 lag das Bruttospielergebnis an den drei Standorten noch bei 74,1 Millionen, im vergangenen Jahr waren es nur noch 42,9 Millionen. Das ist ein Minus von rund 30 Millionen Euro und damit viel Geld, das Finanzminister Willi Stächele (CDU) in seinem ohnehin sanierungsbedürftigen Landeshaushalt fehlt.

Es bedarf keiner allzu großen Fantasie, sich auszumalen, wohin diese Umsätze gewandert sind: in die Spielhallen. Deren Geschäfte blühen. Nach offiziellen Angaben machten die Spielhallen bundesweit im vergangenen Jahr einen neuen Rekordumsatz von 3,3 Milliarden Euro. Das Problem: Während Spielbanken dem Glücksspielvertrag und damit strengen Kontrollen unterliegen, gilt das Spiel am Automaten nicht als Glücksspiel, sondern als Form der Unterhaltung. Hinzu kommt: Die Rahmenbedingungen wurden in den vergangenen Jahren vom Bundesgesetzgeber weiter verbessert. So dürfen pro erteilte Konzession in Spielhallen jetzt zwölf statt bisher zehn Automaten und in Gaststätten drei statt bisher zwei Geräte aufgestellt werden. Und: Die Spiele am Automaten laufen jetzt deutlich schneller. Damit wächst zwar die Gefahr von möglichen Verlusten, aber auch die Chance für einen Gewinn ist gestiegen. Diese Mischung, da sind sich Spielexperten einig, steigert die Attraktivität des Automatenspiels.

Bei den staatlichen Spielbanken hält sich die Freude über diese Entwicklung in Grenzen. "Die Spielhallenbetreiber machen nichts Illegales, sie nutzen die Lücken in den Gesetzen nur geschickt aus", räumt Spielbank-Prokurist Uwe Kniesel in Stuttgart zwar ein. Die gesamte Entwicklung widerspreche aber dem Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit und könne obendrein nicht im Sinn des Jugendschutzes sein, wie er vom Staat stets proklamiert werde: "Bei uns ist der Spielbetrieb streng reglementiert, bei den Spielhallen nicht", lautet deshalb Kniesels Kritik. Die aktuelle Entwicklung jedenfalls bestätigt die Sorge vieler Kommunen und der Spielbanken. Nach neuen Erhebungen gibt es in Deutschland knapp 300000 Spielsüchtige. 80 Prozent von ihnen sollen vom Automatenspiel abhängig sein.