Eine Zeugin Jehovas verteilt "Wachturm" und "Erwachet" Foto: Hörner

Die Landesregierung beschließt, die umstrittene Glaubensgemeinschaft nicht aufzuwerte.

Stuttgart - Mit ihren Zeitschriften "Wachturm" und "Erwachet" missionieren die Zeugen Jehovas in Wohngebieten und Fußgängerzonen. Die Politik im Land konnten sie bisher aber nicht von sich überzeugen.

Die Zeugen Jehovas werden in Baden-Württemberg bis auf weiteres nicht den christlichen Kirchen gleichgestellt. Die CDU-FDP-Landesregierung in Stuttgart hat, wie unsere Zeitung am Mittwoch erfuhr, inzwischen definitiv entschieden, der umstrittenen Glaubensgemeinschaft die geforderte staatliche Anerkennung zu verweigern. "Das Kabinett hat beschlossen, den Antrag der Zeugen Jehovas auf Verleihung der Körperschaftsrechte abzulehnen", sagte eine Sprecherin des Kultusministeriums auf Anfrage unserer Zeitung. "Wir sind im Moment dabei, den Ablehnungsbescheid in enger Abstimmung mit dem Justizministerium zu erarbeiten, und werden diesen anschließend den Zeugen Jehovas zustellen."

Der entsprechende Kabinettsbeschluss datiert vom 20. Dezember, ist bisher aber nicht öffentlich geworden.

Es wird erwartet, dass die Glaubensgemeinschaft, die in Baden-Württemberg nach eigenen Angaben 28000 Mitglieder hat, gegen den Bescheid vorgehen wird. Das letzte Wort dürfte dann der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim haben. Die Landesregierung begründet ihre Ablehnung mit Zweifeln an der Rechtstreue der Glaubensgemeinschaft. Zeugen Jehovas stehen dem Staat bekanntlich skeptisch bis ablehnend gegenüber, sie sollen daher nicht an Wahlen teilnehmen. Des weiteren sollen selbst Familienangehörige mit ausgetretenen Mitgliedern den Kontakt abbrechen, wodurch das Land laut einem Gutachten des Justizministeriums "das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens und der Ehe" sowie das Grundrecht auf Religionsfreiheit beeinträchtigt sieht. Zudem gefährde die Religionsgemeinschaft durch ihre Ablehnung von Bluttransfusionen "Leib und Leben minderjähriger Kinder und Jugendlicher".

Ist die Glaubensgemeinschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts?

Eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts hätte für die Zeugen Jehovas den Vorteil, dass sie weniger Steuern und Verwaltungsgebühren zahlen müssten. Zudem unterlägen sie dann teilweise nicht mehr der staatlichen Kontrolle, könnten selbst eine Kirchensteuer erheben und hätten wie die Evangelische und Katholische Kirche das Recht, in Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sitzen.

Der zu erwartende Rechtsstreit in Baden-Württemberg dürfte bundesweit für Aufmerksamkeit sorgen. 12 der 16 Bundesländer haben die Zeugen Jehovas auf deren Wunsch hin inzwischen rechtlich aufgewertet, weil sie trotz Bedenken keine andere Möglichkeit sahen. Baden-Württembergs Kultusministerium wollte sich dem eigentlich anschließen, stieß aber im Parlament auf breiten Widerstand. Auch Rheinland-Pfalz, Bremen und Nordrhein-Westfalen verweigern bislang eine Anerkennung.

Jene Länder, die kapitulierten, verwiesen vor allem auf ein angeblich wegweisendes Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichtes, das den Zeugen Jehovas im Jahr 2006 nach fast 15-jährigem Rechtsstreit den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannte. Nach Ansicht der Landesregierung in Stuttgart haben die Berliner Richter aber nur unzureichend das Innenleben der Gemeinschaft ausgeleuchtet. Sie verzichteten zum Beispiel darauf, Aussteiger zu befragen. Das Justizministerium in Stuttgart hat dies hingegen bei der Erstellung seines Gutachtens getan.

Sollte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim zu einem anderen Urteil als die Kollegen in Berlin kommen, würde den Zeugen Jehovas ihr Status vermutlich in den meisten Bundesländern wieder entzogen. Bis zu einem Urteil werden allerdings voraussichtlich wieder Jahre vergehen.