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Altägyptische Roboter und intelligente Waschmaschinen haben mehr gemeinsam als gedacht. Doch welche Rolle spielt dabei eigentlich der Mensch?

Stuttgart - Für die alten Ägypter galt, dass man im Jenseits ebenso arbeiten muss wie im Diesseits. Die Führungsriege des großen Kulturvolks war, ich will nicht sagen faul, vielmehr findig. Um dem Verstorbenen die Mühsal von Handwerk und Landwerk abzunehmen, fertigte man Stellvertreter an, kleine Figuren namens Uschebtis („die Antwortgebenden“). In manchen Gräbern wurden Behälter mit 365 solcher Hilfswesen gefunden – für jeden Tag eines. Mit ihnen taucht erstmals in der Geschichte die Idee des Roboters und einer künstlichen Intelligenz (KI) auf. Die zeremoniellen Anweisungen, mit denen die Figuren beschriftet sind, gleichen frappierend den Instruktionen eines modernen Computerprogramms:

Magische Puppe, hör mich an!

Wenn ich gerufen werde,

Die Arbeit auszuführen . . .

Wisse, du bist an meiner Stelle

Von den Hütern der Unterwelt verurteilt,

Die Felder zu besäen,

Die Kanäle mit Wasser zu füllen,

Den Sand herüberzuschaffen . . .

Und am Ende heißt es:

Hier bin ich und höre auf Deine Befehle!

„Dialogorientierte Benutzerführung“ würde man dazu heute sagen, wo künstliche Intelligenzen immer zahlreicher ihr Haupt erheben. Allein im Silicon Valley liefern sich derzeit an die 200 Start-ups in diesem Bereich einen harten Konkurrenzkampf. Während ein Mensch im Lauf seines Lebens lernt, ein immer tiefergehendes Wissen über die ihn umgebende Welt aufzubauen und daraus Erkenntnisse abzuleiten, versuchen es Computer mit einer Mischung aus Dummheit und Geschwindigkeit. Das Intelligenteste an einem Schachprogramm sind immer noch die Menschen, die es programmiert haben.

Waschomat für Junggesellen

Auswirkungen dieser Technologie werden unseren Alltag und die Art, wie wir arbeiten, googeln, einkaufen und kontrolliert werden, auf eine Art verändern, von der wir uns heute noch gar keine richtige Vorstellung machen. In der Kurzgeschichte „Die Waschmaschinen-Tragödie“ hat Stanislaw Lem eine mögliche Entwicklung am Beispiel des Wettbewerbs zweier Waschmaschinenkonzerne beschrieben, die ihre Maschinen mit immer mehr Intelligenz ausstatten (die immer weniger mit Wäschewaschen zu tun hat), bis am Ende einer der Konzerne den Waschomat für Junggesellen baut, der aussieht wie eine blonde Sexbombe. Niemand weiß nun mehr genau, ob er an der Bar neben einer schönen Frau oder einer Waschmaschine sitzt.

Der amerikanische KI-Pionier Edward Feigenbaum malte sich einmal aus, wie in den Bibliotheken von morgen die Bücher untereinander kommunizieren und dabei ihr Wissen selbstständig mehren werden. Kommentar seines Kollegen Marvin Minsky: „Vielleicht behalten sie uns als Haustiere.“ Minsky war im Jahr 1956 Veranstalter einer Konferenz am Dartmouth College in New Hampshire gewesen, auf welcher der – oft irreführende – Begriff der künstlichen Intelligenz geprägt wurde.

Moderner Aberglaube

Vielleicht ist KI aber auch einfach eine moderne Form von Aberglauben. So wie die alten Ägypter glaubten, dass Tonfiguren zu leben anfangen, wenn man die richtigen Worte weiß, glauben heute manche, dass sich in einem Computer Bewusstsein bilden kann, wenn man ihn nur richtig programmiert. Auf der anderen Seite könnte ein solcher Aberglaube aber auch ähnlich unerwartete positive Auswirkungen haben wie seinerzeit die Alchemie.

Den Alchemisten ist es zwar nie gelungen, künstliche Wesen zu schaffen (Homunculus) oder Quecksilber in Gold zu verwandeln. Unbeabsichtigt sind bei den unzähligen Versuchen aber die Grundlagen der Chemie und Pharmakologie entstanden, ohne die unsere moderne Welt nicht denkbar wäre.