Die zentrale Kundgebung auf dem Schlossplatz in Stuttgart: 11 000 Menschen fordern eine bessere Bezahlung. 161 Kitas in der Stadt bleiben derweil geschlossen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Beim zentralen süddeutschen Streik der Sozial- und Erziehungsdienste fordern die Gewerkschaften eine bessere Bezahlung. 161 Kitas in der Stadt blieben daher geschlossen. Auf dem Schlossplatz versammelten sich rund 11 000 Menschen.

Stuttgart - Tausende Erzieherinnen und Sozialarbeiter aus Baden-Württemberg und Bayern haben ihren Frust am Montag auf die Straßen Stuttgarts getragen: Rund 11 000 Beschäftigte versammelten sich zum zentralen süddeutschen Warnstreik in der Landeshauptstadt, um rund zehn Prozent mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen zu fordern.

Zu dem Protest aufgerufen hatten die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft GEW.

„Einen wunderschönen guten Morgen, bitte gehen sie dort entlang, hinter dem Lkw geht es los“, sagt Verdi-Mitarbeiterin Anette Sauer, die als Ordnerin den Demonstranten am Palast der Republik den Weg weist. Hier sammeln sich gegen 11.30 Uhr die aus München, Nürnberg und weiteren Städten angereisten Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

Sie legen mit ihrem Protest an diesem Tag den Betrieb von rund 700 Kindertagesstätten lahm. Zu den Streikenden zählen neben Erzieherinnen und Sozialarbeitern auch Sozialpädagogen, Kinderpflegerinnen und Heilpädagogen.

Festival-Stimmung im Demonstrationszug

Auf dem Streik-Lkw stehen die beiden Stuttgarter Hip-Hopper Tobias Borke und Pheel am Mikrofon und übersetzen die Forderung der Streikenden in Reime . „...Und der Arbeitsaufwand, ich sage es ganz deutlich, wird unterschätzt...“, singen sie. Und das Publikum entgegnet: „Aufwerten jetzt!“

Trillerpfeifend setzt sich der Protestzug in Bewegung, die Erzieherinnen und Sozialarbeiter schwenken ihre Banner („Endlich gerechte Bezahlung“, „Sozialberufe aufwerten“) in der Sonne. Die Menge bahnt sich ihren Weg über die Theodor-Heuss-Straße, biegt beim Rotebühlplatz links ab, bevor es über die Eberhardstraße und den Marktplatz und später bis zum Schlossplatz geht.

„Macht so viel Lärm, dass euch die Arbeitgeber bei den Verhandlungen bis nach Offenbach hören“, ruft ein Verdi-Mitarbeiter vom vorausfahrenden Lkw.

Tarifpoker in Hessen

Im hessischen Offenbach geht der Tarifstreit zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und den beiden Bildungsgewerkschaften am Montagnachmittag in die fünfte Runde. Die Arbeitnehmer fordern eine höhere Eingruppierung der bundesweit 240 000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst.

Welche Konsequenzen drohten, wenn die Arbeitgeber der Forderung nicht nachkommen würden, zeigte sich auf dem Schlossplatz in Stuttgart. Dort tritt am Mittag Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske auf die Bühne.

„Dass soziale Berufe unterbezahlt sind, ist längst Konsens in der Gesellschaft. Dem muss endlich Rechnung getragen werden“, sagt Bsirske. Und wenn die Arbeitgeber dies nicht täten, so dürfe man sich nicht wundern, wenn es nicht bei Warnstreiks bliebe. „Dann muss es eine Urabstimmung der Mitglieder über einen unbefristeten Streik geben“, droht der Gewerkschafter. „Dann hören die lieben Erzieherinnen auf wie liebe Erzieherinnen zu verhandeln.“

Verwaltungsbürgermeister ohne Verständnis

Allein in Stuttgart waren laut Stadt 161 der 187 Kitas des städtischen Jugendamts geschlossen. In drei Einrichtungen haben die Eltern die Betreuung selbst übernommen. Das rief unterschiedliche Reaktionen hervor. Der Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle zeigte wenig Verständnis. „Verdi soll seine Mitgliederwerbung nicht auf dem Rücken der Eltern und Kinder betreiben“, sagte er.

Der Landeselternrat der Kitas unterstützt hingegen die Aktionen der Beschäftigten. Auch die SÖS-Linke-Plus. „Wir fordern Bürgermeister Wölfle auf, sich bei den Tarifverhandlungen klar zu positionieren. Eine reiche Stadt wie Stuttgart kann und muss sich eine Tarifsteigerung von zehn Prozent für unsere städtischen Erzieherinnen leisten“, so der Vorsitzende Thomas Adler.