Bei Großeinsätzen wie hier in Pforzheim sollen Polizisten Kennzeichen tragen. Foto: dpa

An ihrer Buchstaben- und Ziffernkombination sollt ihr sie erkennen: Nach dem festen Willen der Grünen und dem weniger festen Willen der SPD sollen baden-württembergische Polizisten identifizierbar sein. Die Polizeigewerkschaften wollen darüber weiterhin nicht mit sich reden lassen.

An ihrer Buchstaben- und Ziffernkombination sollt ihr sie erkennen: Nach dem festen Willen der Grünen und dem weniger festen Willen der SPD sollen baden-württembergische Polizisten identifizierbar sein. Die Polizeigewerkschaften wollen darüber weiterhin nicht mit sich reden lassen.

Stuttgart - Der Koalitionsvertrag ist in diesem Punkt unmissverständlich. Unter der Überschrift „Baden-Württemberg in guter Verfassung“ legten Grüne und SPD gemeinsam fest: „Wir werden eine individualisierte anonymisierte Kennzeichnung der Polizei bei sogenannten Großlagen einführen, unter strikter Wahrung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung der Polizistinnen und Polizisten.“

Im Hintergrund dieser von den Grünen eingebrachten Forderung stehen die Erfahrungen aus dem sogenannten Schwarzen Donnerstag am 30. September 2010. Nach dem massiven Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten hatten betroffene Bürger dutzendfach Anzeige wegen Körperverletzung im Amt gestellt. Eine Handvoll Fälle landete vor Gericht. Seitdem drängen die Grünen auf eine Kennzeichnungspflicht. Diese sei wichtig, um „schwarze Schafe zu entlarven“ – bei allem Grundvertrauen, das man der Polizei entgegenbringe.

Bisher steht diese Pflicht nur auf dem Papier des Koalitionsvertrags. Offenbar unter dem Eindruck des Widerstandes der Polizeigewerkschaften zeigte Innenminister Reinhold Gall (SPD) bisher keine Eile, das Vereinbarte in die Tat umzusetzen. Der Minister konnte auf wichtigere Themen verweisen – allen voran die Polizeireform. Jetzt will man sich dem umstrittenen Vorhaben jedoch langsam nähern. Auf Nachfrage teilte das Innenministerium jetzt mit: „Die Abteilung 3 (Landespolizeipräsidium) im Innenministerium ist beauftragt, ein Konzept für die Kennzeichnungspflicht geschlossener Einheiten zu erstellen. Sie wird Regelungen und Erfahrungen anderer Länder berücksichtigen. Dabei geht es – unter Einbindung der Personalvertreter – insbesondere um eine technische Umsetzung der Nummernvergabe und den Datenschutz. Eine Zeitvorgabe besteht nicht.“ Allerdings sei damit zurechnen, dass noch in diesem Jahr etwas vorgelegt werde. Gall selbst positioniert sich nicht. Das Konzept werde den Regierungsfraktionen von Grünen und SPD vorgelegt, erklärte der Sprecher. Dann werde man weitersehen.

Hans-Ulrich Sckerl, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, drückt aufs Tempo. Er sieht einen bundesweiten „Trend zur Kennzeichnungspflicht“. Berlin und Brandenburg haben sie bereits, Rheinland-Pfalz zieht nach, ebenso Hessen. „Wenn selbst das schwarz-grün regierte Hessen die Kennzeichnungspflicht einführt, ist das in Baden-Württemberg allemal ein Thema“, sagt Sckerl. Er plädiert für eine „Buchstaben- und Nummernkombination an der Uniform, die lesbar und von den Bürger notierbar sein soll“. Diese anonymisierte Kennzeichnung sollte nur für Großeinsätze, sogenannte Großlagen, gelten – etwa bei Demonstrationen mit mehr als 1000 Teilnehmern oder Fußballspielen, in deren Umfeld mit Randale zu rechnen sei. „Es besteht keine Verpflichtung, dass Polizisten im Alltag gekennzeichnet sein müssen“, sagt der Grünen-Politiker. Wichtig ist ihm der Hinweis, dass die Persönlichkeitsrechte der Beamten strengstens gewahrt würden. Niemand müsse etwas befürchten.

Damit versucht er den Polizeigewerkschaften „die Ängste zu nehmen“. Allerdings wohl vergeblich. Rüdiger Seidenspinner, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, ist „keinen Millimeter bereit“ nachzugeben. „Wir wollen das einfach nicht.“ Für Seidenspinner drückt sich in dem Grünen-Vorstoß eine „tiefsitzende Skepsis gegenüber Polizisten“ aus. Fast wortgleich reagiert der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lautensack. Wer die individuelle Kennzeichnung der Polizeibeamten fordere, stelle die Polizei „unter Generalverdacht“, sagte er unserer Zeitung. Die Befürworter legten fadenscheinige Argumente vor. Bei Großlagen seien die jeweiligen eingesetzten Polizeigruppen heute schon gekennzeichnet und damit auch identifizierbar. Käme es zu einem Fehlverhalten, hätten die betroffenen Bürger Anspruch auf Amtshaftung. Bisher habe es keinerlei Probleme gegeben, sagt der Gewerkschaftschef. In Berlin, wo die Kennzeichnungspflicht gelte, seien die Beamten alles andere als glücklich. Zudem sei das Ganze mit großem bürokratischem Aufwand verbunden; jeder Polizist habe dort drei verschiedene Nummern, die er aus datenschutzrechtlichen Gründen abwechselnd verwenden müsse. Hinter dem Ganzen stecke pure „Ideologie“, meint Lautensack: „Da haben einige nichts zu schaffen und überlegen, womit man andere Leute ärgern kann.“

Sckerl pocht dagegen auf das Transparenzgebot und die Bürgerrechte. Wenn der Pulverdampf verzogen sei, werde man sich mit den Gewerkschaften in sachlicher Atmosphäre zusammensetzen und die Dinge besprechen. Die Gefahr eines bundesweiten „Flickenteppichs“ sieht er übrigens nicht. Maßgeblich sei das Polizeirecht des jeweiligen Landes. Das hieße: Wenn baden-württembergische Bereitschaftspolizisten in Berlin eingesetzt werden, müssten sie identifizierbar sein – auch wenn im Südwesten noch gar keine Kennzeichnungspflicht gilt.