Vorwürfe gegen ehemalige Heim-Mitarbeiter Foto: dpa

Als Konsequenz aus den Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfen gegen ehemalige Mitarbeiter der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal wird die diakonische Einrichtung ihre Jugendhilfeakten an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart übergeben.

Als Konsequenz aus den Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfen gegen ehemalige Mitarbeiter der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal wird die diakonische Einrichtung ihre Jugendhilfeakten an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart übergeben.

Stuttgart - Als Konsequenz aus den Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfen gegen ehemalige Mitarbeiter der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal wird die diakonische Einrichtung ihre Jugendhilfeakten an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart übergeben. „Dort wird der Bestand fachgerecht erschlossen und für die Erforschung vorbereitet“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Freitag.

„Die Geschäftsleitung folgt damit einem Vorschlag der Kommission zur Aufarbeitung Heimerziehung und Missbrauch in den Jahren 1949 bis 1975 in ihren Einrichtungen“, sagt Pressesprecher Manuel Liesenfeld. Wie man die Erkenntnisse publiziere, werde nun beraten. Die Diakonie der Brüdergemeinde ist damit eine von drei diakonischen Jugendhilfeeinrichtungen, die das Landeskirchliche Archiv zur Aufarbeitung ihrer Vergangenheit in Anspruch nehmen. Ehemalige Heimkinder der Brüdergemeinde Korntal können ihre Akten nun künftig dort einsehen.

Auslöser der Akten-Übergabe sind die inzwischen von verschieden Seiten erhobenen Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfe ehemaliger Heimkinder, allen voran der 53-jährige Herr Z. Er hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet und forderte am 30. April 2014 erstmals öffentlich Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Brüdergemeinde zog Z.’s Schilderungen bei ihrer Einwendung ans Landgericht Stuttgart in Zweifel. Inzwischen musste Z.’s Anwalt einräumen, dass sein Mandant das Abitur nicht nachgeholt hat, wie er es anfangs „aus Angeberei“, so der Anwalt, angegeben habe. Weil Z. also keine akademische Karriere hätte einschlagen können, reduziert Rechtsanwalt Christian Sailer nun seine Schadenersatzansprüche um 200 000 Euro. Dennoch verbleibt eine Restforderung in Höhe von 1,1 Millionen Euro.

Davon abgesehen betrachtet die Diakonie die Vorfälle aus den fraglichen Jahren 1963-1977 als verjährt. Rechtsanwalt Sailer hält, mit Verweis auf die von der Diakonie „dem Grunde nach bereits anerkannte Entschädigungspflicht; sie kann sich deshalb nicht mehr auf Verjährung berufen.“ Im Kinderheim der Brüdergemeinde Korntal „sind körperliche Brutalität, seelische Grausamkeit und sexueller Missbrauch an der Tagesordnung gewesen“, schreibt Rechtsanwalt Sailer und führt zum Beweis Zeugen und weitere Opfer an.

Als Zeuge hat sich der ehemaliger Ersatzdienstleistende U. S. gemeldet, der Herrn Z. unterstützen will. Seit Juni fordert Martina P., die gemeinsam mit Z. im Heim war, Entschädigung für in Korntal „erlittene körperliche Misshandlungen“ bis zu ihrem 12. Lebensjahr, und auch der 1951 geborene Herr H. hat laut seinem Anwalt Alexander Heinig körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt und Zwangsarbeit in Korntal erlitten. Außerdem hätten die ehemaligen Mitarbeiter verhindert, dass H. familiäre Kontakte aufbauen konnte. Er fordert Schadenersatz in Höhe von 120 000 Euro.