Die Justiz greift durch: Ex-Fußballer von Slaven Möhringen zu Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt Foto: Baumann

Der Fall hatte weit über den Fußball-Bezirks Stuttgart hinaus für Entsetzen gesorgt: Nun wurde der Haupttäter für seine Angriffe auf einen Schiedsrichter zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Stuttgart - Der Abgang hatte etwas Versöhnliches. Der verurteilte Gewalttäter reichte nach der eineinhalbstündigen Verhandlung in Saal 305 des Amtsgerichts Stuttgart dem geschädigten Schiedsrichter Tarek S. (Name von der Redaktion geändert) die Hand und blickte ihm in die Augen. „Ich entschuldige mich. Mir tut es von ganzem Herzen leid. Ich werde alles dafür tun, dass so etwas in meinem ganzen Leben nicht mehr passiert“, sagte Metin M. (Name von der Redaktion ebenfalls geändert), der verurteilte ehemalige Fußballer des Stuttgarter Kreisliga-B-Clubs SV HNK Slaven Möhringen.

Tarek S. nahm die Entschuldigung wortlos entgegen. Die Emotionen standen ihm dabei ins Gesicht geschrieben. Die warmen Worte machen die schrecklichen Geschehnisse nicht besser. „Ich kann nur hoffen, dass es keine leeren Worthülsen von ihm waren“, meinte der 25-Jährige wenig später und war sich mit seinem Anwalt, seinem Vater und einem ebenfalls anwesenden Freund einig: „Das Urteil war ein gutes Zeichen für den Fußballsport.“

Tarek S. geht es gesundheitlich wieder gut. Der in Donaueschingen stationierte Berufssoldat geht längst wieder seiner Arbeit nach, doch dass er noch einmal zur Pfeife greifen wird, ist für ihn immer noch undenkbar. Zu tief sind die Narben, die jener schreckliche 11. Mai bei ihm verursacht haben. Sein persönliches Horrorszenario erlebte er nicht bei Kampfeinsätzen in Afghanistan oder im Kosovo, wo er schon in Graben- und Häuserkämpfe verwickelt war. Er erlebte es beim Fußball. Bei der Ausübung seines Hobbys. „Ich hatte Todesangst“, wiederholte Tarek S. am Freitag.

Noch einmal musste er die Jagdszenen rund um die Kreisliga B-Partie SV HNK Slaven Möhringen gegen TSV Jahn Büsnau schildern. Nach einer Roten Karte in der 68. Minute gegen Metin M. eskalierte die Partie. Tarek S. berichtete, dass er nicht nur wüst beleidigt worden war („Du bist tot, du kommst hier nicht lebend raus! Schlagt zu, bringt diesen Hurensohn um!“), sondern vom ermittelten Haupttäter auch zweimal mit der Faust im Gesicht getroffen wurde. Der Unparteiische ging zu Boden, rappelte sich auf und sprintete in Richtung Kabine. Doch Metin M. holte ihn ein, verpasste ihm einen erneuten Schlag gegen den Kopf. Wieder ging Tarek S. zu Boden, bekam von anderen Slaven-Spie-lern Tritte ins Gesicht und in die Rippen ab. Erst dann kamen Ordner aus dem Clubheim und verhinderten gemeinsam mit vernünftigen Spielern und Funktionären noch Schlimmeres. Wie sich Metin M. diese Eskalation der Gewalt erklärt? „Es herrschte Chaos. Mir sind die Nerven komplett durchgegangen“, sagte er. Dann gingen seine Mundwinkel nach unten: „Ich kann mich nur entschuldigen. Es tut mir wirklich sehr leid.“

Wer bei dem wilden Durcheinander alles mitmischte, war nur schwer zu ermitteln. Gegen zwei weitere Möhringer Akteure wurden Strafbefehle wegen Beleidigung beantragt. Diese sind bereits vor einigen Wochen rechtskräftig geworden. Die Täter mussten Geldstrafen im dreistelligen Bereich zahlen.

Der ermittelte Haupttäter Metin M. musste sich wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung verantworten und kam wie erwartet weniger glimpflich davon. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten zur Bewährung beantragt. Richterin Johanna Dierolf entschied sich für neun Monate. Der Beschluss sieht eine Bewährungszeit von zwei Jahren vor. Zu den Auflagen gehört auch die Teilnahme an einem Anti-Aggressions-Seminar des WFV. Außerdem muss der Täter die Kosten des Verfahrens tragen und 1500 Euro Schmerzensgeld an das Opfer bezahlen, die er in Raten abstotern kann. Grund: Der Angeklagte, ein gelernter Raumausstatter, der zuletzt als Monteur arbeitete, ist derzeit arbeitssuchend.

Richterin Dierolf rechnete Metin M. bei ihrer Urteilsbegründung seine Ehrlichkeit an: „Sie waren vollumfänglich geständig, haben Einsicht gezeigt und waren nicht vorbestraft“, sagte sie. Tarek S. ist froh, dass der Fall abgeschlossen ist. An diesem Samstag feiert er seinen 26. Geburtstag. Sein größter Wunsch wäre, dass die Gewalt im Amateurfußball abnimmt: „Vielleicht kann mein Fall dazu beitragen, dass manche Gewalttäter ihr Verhalten reflektieren und das Urteil abschreckende Wirkung hat.“ Schön wär’s.