Auch bei Demonstrationen werden Polizisten Opfer von Gewalt. Foto: dpa

Steigt die Gewalt gegen Polizisten, oder geht sie zurück? Bei einer Veranstaltung der Landesgewerkschaft der Polizei gab es dazu widersprüchliche Angaben. Zumindest auf den ersten Blick.

Stuttgart - Die Gewalt gegen Polizisten in Baden-Württemberg sowie in Deutschland ist rückläufig. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Untersuchung der in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registrierten Fälle im Zeitraum 2005 bis 2013. „Die These eines Anstiegs kann ich nicht belegen“, sagte Karoline Ellrich vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen bei der Veranstaltung „Gewalt gegen Polizei“ im Landesinnenministerium in Stuttgart.

Eine erhöhte Sensibilität bei den Beamten könne jedoch den Eindruck erwecken, dass die Gewalttaten zunehmen, erläuterte Ellrich. Ebenso sei denkbar, dass Polizisten wegen mangelnder Strafverfolgung seltener Anzeige erstatteten und dadurch die Zahlen gesunken seien. „Anzeigenmüdigkeit“ nennen das die Wissenschaftler.

Rüdiger Seidenspinner, Vorsitzender der Landespolizeigewerkschaft, irritieren diese Ergebnisse nicht. Wenn er davon spricht, dass die Gewalt gegen Polizisten in Baden-Württemberg „deutlich gestiegen“ sei, bezieht er sich auf einen anderen Zeitraum als den von den Mitarbeitern des kriminologischen Forschungsinstituts untersuchten. „Im Vergleich zu den 70er und 80er Jahren hat es eine Zunahme von Gewalttaten gegen Polizisten von 25 bis 30 Prozent gegeben“, sagte er in Stuttgart.

In einem Punkt sind sich die Wissenschaftlerin und der Gewerkschaftsvorsitzende aber einig: Gewalt ist ein zentrales Thema bei den Einsätzen der Polizei – und das nicht etwa nur bei Großveranstaltungen und Demonstrationen, sondern im alltäglichen Streifendienst. Allein in den ersten 151 Tagen in diesem Jahr wurden in Baden-Württemberg im Schnitt täglich 9,7 Straftaten gegen Polizisten verübt. Davon rund 5,4 Körperverletzungen. „Wann ist es genug, wenn nicht jetzt?“, fragte Seidenspinner und warb für den Einsatz von Schulterkameras, den sogenannten Body-Cams. „Die bedeuten alles andere als Misstrauen gegen dieBevölkerung“, sagte er in Anspielung auf Kritik.

Für eine zweite Untersuchung haben Mitarbeiter des Forschungsinstituts vor vier Jahren Polizisten aus zehn Bundesländern zu ihren Erfahrungen mit Gewalt befragt. Knapp 21 000 Männer und Frauen füllten die Fragebögen aus. Baden-Württemberg beteiligte sich an der Studie nicht. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Täter – sowie die Opfer. 91,4 Prozent der Gewaltverursacher sind demnach männlich. Bei den betroffenen Polizisten sind es 52,1 Prozent.

Kritik äußerten die Befragten auch an ihren Vorgesetzten. 74 Prozent der Männer und Frauen nannten die Fürsorge nach Gewalttaten gegen sie „eher schlecht“. Sprüche wie „So ein paar Schläge hätten mir jetzt nichts ausgemacht“ habe sich manch einer von seinem Vorgesetzten anhören müssen.

Positiv dagegen das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2008 hatten rund 60 Prozent der befragten Bürger angegeben, Vertrauen in die Vollzugsbeamten zu haben. 2012 waren es rund 66 Prozent.

Den Weg über die öffentliche Wahrnehmung möchte auch Seidenspinner im Kampf gegen die Gewalt nutzen. „Wir müssen in die Kindergärten und die Schulen gehen und uns durch Aktionen wie Verkehrssicherheit und Drogenprävention vorstellen. Dadurch können wir zeigen, dass wir ganz normale Menschen sind.“

Auch Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall forderte eine „Öffentlichkeit, die hinter der Polizei steht“. Die Gewalt gegen sie sei in keiner Weise zu respektieren, so der Sozialdemokrat.