Polizisten suchen häufig Hilfe bei der Gewerkschaft, um juristisch gegen Angreifer vorzugehen. (Symbolbild) Foto: dpa

Der Respekt vor der Polizei sinkt, die einzelnen Beamten leiden darunter: In einzelnen Bereichen sind 50 Prozent mehr Taten verzeichnet worden als im Vorjahr.

Stuttgart - Die Polizeigewerkschaften schlagen Alarm: Deutlich häufiger als in den Jahren zuvor hätten sich im Jahr 2016 ihre Mitglieder an sie gewandt, um Rechtsschutz nach Übergriffen gegen Polizeibeamtezu erhalten. „Wir haben 30 Prozent mehr Anfragen, von rund 900 auf 1200 Fälle“, sagt Ralf Kusterer, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) im Land. „Bei uns ist es ähnlich“, bestätigt Hans-Jürgen Kirstein, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Mehr als 2000 Beamte wurden im Einsatz verletzt

Von der Polizei liegen noch keine abschließenden Zahlen für das vergangene Jahr vor, diese dürfen erst nach der Veröffentlichung der Kriminalstatistik herausgegeben werden. Tendenzen schildern die Sicherheitsbehörden aber schon jetzt. „Gegenüber 2015 sind die Widerstandshandlungen im Bereich der Inspektion Stuttgart um Mehr als 50 Prozent gestiegen“, sagt Daniel Kroh, der Sprecher der Bundespolizei. Das sei vor allem bemerkenswert, weil die Zahl von 79 Fällen (2014) auf 71 im Jahr 2015 gesunken war. Mehr als 110 Fälle müssen es also bei einer Steigerung von mehr als 50 Prozent im Jahr 2016 demnach gewesen sein. Das Innenministerium spricht ebenfalls von einem Anstieg bei der Zahl der geschädigten Polizeibeamten und den Körperverletzungen gegen Polizisten sowie von einem deutlichen Anstieg bei allen strafbaren Handlungen gegen Polizeibeamte – also Widerstand oder Beleidigung. Nach einem Anstieg um 6,4 Prozent bei der Zahl der geschädigten Polizeibeamten auf 8034 im Jahr 2015 im Land, wird deren Zahl also erneut deutlich über 8000 liegen. Verletzt worden waren 2015 insgesamt 2303 Beamte, 9,4 Prozent mehr als im Jahr davor. Auch dieser Wert steige, so ein Sprecher des Ministeriums. Im Stuttgarter Präsidium rechnet man ebenfalls mit einem deutlichen Anstieg, bei den Widerstandshandlungen – also wenn jemand sich nicht ohne Gegenwehr festnehmen lässt zum Beispiel – liege dieser „im niedrigen zweistelligen Bereich. Bei der Zahl der Opfer von tätlichen Angriffen könne man noch keine Tendenz angeben.

In der Innenstadt trifft die Polizei auf „keine einfache“ Klientel

Die Landes und die Bundespolizei geben zu bedenken, dass man bei der Entwicklung im Jahr 2016 eine Besonderheit beachten müsse: Landes- und Bundespolizei sind seit Ende Januar 2016 in Reaktion auf die Ereignisse der Silvesternacht und das gesunkene Sicherheitsgefühl der Bürger mit vereinten und deutlich verstärkten Kräften in der Stuttgarter Innenstadt unterwegs. Die 75 bis mehr als 100 Beamten pro Tag seien vor allem in den Konfliktbereichen unterwegs. Dort würden sie auf eine „nicht immer einfache“ Klientel treffen, die sich bei polizeilichen Maßnahmen unkooperativ zeige. Als Beispiel schildert Daniel Kroh eine Kontrolle der Bundespolizei dieser Tage im Hauptbahnhof: „Ein Unbeteiligter mischte sich immer wieder ein. Als sie sich ihm zuwandten, stieß er die Beamten von sich.“ Viele verletzte Polizisten hatte die Landespolizei vergangenen April am Rande einer Demo, bei der kurdischstämmige und nationalkonservative türkischstämmige Demonstranten aufeinandertrafen. „Demos, Partyszene und SKS“ sind die drei Bereiche, von denen man im Polizeipräsidium häufig spricht, wenn es um Gewalt oder Widerstand gegen Beamte geht.

Es sei nur schwer zu ertragen, was den Kollegen widerfahre. Derbe sexuelle Verbalattacken gegen Polizistinnen seien an der Tagesordnung, „früher wäre es doch undenkbar gewesen, einem Beamten einen Vogel zu zeigen“, sagt Kusterer (DPolG). „Wir müssen die Leute wieder erziehen – sie müssen merken, dass sie nicht ungestraft davonkommen““, argumentiert er. Wie er hofft auch sein Kollege Kirstein (GDP), dass der Gesetzgeber die Paragrafen ändert und Angriffe auf Polizisten dann strenger geahndet werden. „Schließlich ist das immer auch ein Angriff auf den Staat“, sagt Kirstein.