Blick auf den Gewa-Tower in Fellbach. Der Wohnturm liegt in einem Gewerbegebiet. Foto: dpa

Es gibt einen Markt für Luxuswohnungen im Hochhaus, ist das Maklerunternehmen Engel & Völkers in Waiblingen, überzeugt, das für den Vertrieb der Tower-Wohnungen zuständig ist. Die Insolvenz der Projektgesellschaft zieht auch Schnäppchenjäger an.

Stuttgart - Die Insolvenz der Projektgesellschaft Gewa 5 to 1 hat der Nachfrage nach Wohnungen im Gewa-Tower offenbar keinen Abbruch getan. „Es gibt nicht wenige Interessenten“, sagt Wolfgang Langer, „ein Vertragsabschluss ist aber momentan nicht möglich.“ Der Geschäftsführer des Maklerunternehmens Engel & Völkers in Waiblingen, das für den Vertrieb der Tower-Wohnungen zuständig ist, wirbt um Verständnis. „Wir müssen abwarten, ob und wer als Investor kommt und wie es weitergeht.“

21 der 68 Wohnungen sind noch nicht verkauft. Alle befinden sich im oberen – besonders teureren – Bereich. „Fellbach ist für ein Hochhaus ein schwieriger Standort“, meint Immobilienexperte Frank Peter Unterreiner, Herausgeber des „Immobilienbriefs Stuttgart“. Weil die Baukosten für ein Hochhaus höher sind als bei einem normalen Mehrfamilienhaus, erreichen auch die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen „ein neues Niveau für Fellbach“. Zudem sei der Standort des Gewa-Towers mitten in einem Gewerbegebiet schwierig. „Das ist kein urbaner Standort“, sagt Unterreiner, wie ihn Käufer im Luxussegment favorisieren.

Zweifel, ob sich die oberen Wohnungen verkaufen lassen, hat der Engel-&-Völkers- Geschäftsführer Langer nicht. Die Klientel, die für eine Luxus-Wohnung im Hochhaus einen siebenstelligen Betrag hinlegt, ist da, betont Langer. Wichtig sei, dass weitergebaut werde. „Wir haben Wohnungen im Gewa-Tower mit 7000 Euro und mehr für den Quadratmeter verkauft.“ Eine Wohnung sei für rund 1,7 Millionen Euro „ohne Begehung“ verkauft worden. Für Fellbach sei das ein sehr gutes Ergebnis. Auch für die Maisonette-Wohnung, die sich über 459 Quadratmeter und drei Stockwerke erstreckt, und die für 4,5 Millionen Euro im Angebot war, gebe es Interessenten.

Bisher fehlt ein Investor

„Das Produkt Tower hat ganz klar einen Markt“, ist Langer überzeugt. Die Familie Warbanoff sei mit dem Gewa-Tower „visionär“ unterwegs gewesen, sie habe das Wohnen im Hochhaus wieder attraktiv gemacht. Langer setzt darauf, dass eine Musterwohnung eingerichtet wird, damit Kunden sich vor Ort ein Bild machen können. „So eine Wohnung in den oberen Stockwerken muss man erleben und begreifen“, erklärt der Makler. Der Blick von oben gehe nicht in das umliegende Gewerbegebiet. „Man blickt auf den Killesberg herunter.“ Es sei üblich, dass Luxuswohnungen in einer Basisausstattung angeboten werden, die ein Käufer dann ganz nach seinen Wünschen ausstattet.

Die Insolvenz der Projektgesellschaft zieht auch Schnäppchenjäger an. Langer unterscheidet hier: wir haben seriöse Kunden, deren Bonität wir kennen, die Interesse bekundet haben. Und wir haben Interessenten, die denken, jetzt wird es billiger. Letztere, ist sich der Makler sicher, werden nicht zum Zuge kommen.

Bisher fehlt ein Investor. Bekannt ist nur, dass der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli Gespräche führt. Knackpunkt sei, was der Weiterbau kosten werde, meint Immobilienexperte Unterreiner. „Manche Projekte müssen ein- bis zweimal insolvent werden, bis sie sich rechnen.“ Dieser Spruch gelte auch für den Gewa-Tower.

Anleger, die in die Gewa-5- to-1-Anleihe investiert haben, und Wohnungskäufer hoffen auf eine Fortführung des Projekts. So auch der Deutsche Mittelstandsanleihen Fonds. „Weder die Eigentümer, die eine Wohnung gekauft haben noch die Anleihengläubiger wollen, dass eine Bauruine stehen bleibt“, sagt Hans-Jürgen Friedrich, Vorstand der KMF Deutsche Mittelstand AG, die den Mittelstandsanleihen Fonds ins Leben gerufen hat. „Dann wäre der Schaden für alle Beteiligten immens.“ Friedrich zeigt sich zuversichtlich, dass ein „wirtschaftlich sinnvoller Weg“ gefunden wird, das Projekt Gewa-Tower zu Ende zu führen. Je länger nicht weiter gebaut werde, desto mehr erodiere der Vermögenswert. Aktuell werde die Quote im Anleihenkurs der Gewa-Anleihe an der Börse mit rund 27 Prozent beurteilt, auch deshalb, weil der Nimbus der Insolvenz auf dem Projekt liegt. Denkbar sei, so Hans-Jürgen Friedrich, dass eine neue Projektgesellschaft gegründet werde und der Wohnturm gemeinsam mit dem Generalunternehmer Baresel fertig gebaut werde. Baresel könne aber auch in Eigenregie das Projekt zu Ende bringen.

Fraglich ist, was für die Anleger übrig bleibt

So oder so ist fraglich, was für die Anleger am Ende übrig bleibt. Nicht nur, dass unklar ist, wie viel ein Investor überhaupt bereit ist, auf den Tisch zu legen. Auch die Insolvenz selbst bringt ungeplante Kosten mit sich: der Insolvenzverwalter, die Gläubigerversammlung, der gemeinsame Vertreter der Gläubiger – alles muss bezahlt werden. Laut Friedrich sind viele Investoren verärgert, weil Bauherr Warbanoff nicht ordentlich berichtet habe. Man hätte frühzeitig die Investoren über die Schwierigkeiten informieren müssen. Doch „Warbanoff hat die Situation eskalieren lassen und ist auf Tauchstation gegangen“, sagt Friedrich. Noch Mitte September habe die Familie Warbanoff Fragen der Investoren zu Finanzierung und Verkaufsprozess so beantwortet, dass diese zufrieden gestellt wurden. „Hier ist offensichtlich nicht die Wahrheit gesagt worden“, so der Vorwurf von Friedrich.

Die meisten Anleger der Gewa-Anleihe kommen nach Auskunft von Friedrich aus Süddeutschland. Es sei beeindruckend wie viele Anleger außerhalb Deutschlands – in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden – auf die Anleihe zugegriffen haben.

Das Gesamtkonstrukt hat offenbar überzeugt. Bauherr Warbanoff habe gute Referenzen und mit Baresel einen prominenten Generalunternehmer an der Seite gehabt, der tolle Projekte erfolgreiche umgesetzt habe, so Friedrich. Nicht zuletzt ist die Anleihe mit einer Grundschuld besichert. Mit der Insolvenz hat offenbar niemand gerechnet.