Der Gewa-Tower in Fellbach ist seit einem Jahr ein Rohbau mit einigen Fenstern. Foto: Patricia Sigerist

Um das dritthöchste Wohnhaus in Deutschland endlich fertig bauen zu können, wird in Fellbach weiterhin gerungen. Der vorläufige Insolvenzverwalter will bis Monatsende einen Vertrag mit einem noch nicht genannten Investor schließen.

Fellbach - Weit in den Himmel ragt der 107 Meter hohe, aber unfertige Turm. Ein Mahnmal für gescheiterte Unternehmerträume und geplatzte städtische Höhenflüge. Seit diesem Samstag vor genau einem Jahr ruhen auf der Baustelle die Arbeiten. Der Gewa-Tower ist heute wie damals ein Rohbau. Ein paar Fangnetze und ein Gerüst um das gebogene Hotel am Fuß des Hochhauses sind seither entfernt worden, ansonsten hat er sich nicht verändert. Fortschritt hat sich, wenn überhaupt, nur in einem zähen vorläufigen Insolvenzverfahren ergeben. Bis Ende November steht aber, wenn man dem vorläufigen Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli Glauben schenken darf, der Verkauf an einen namentlich nicht genannten Investor bevor. Dieser will Deutschlands dritthöchsten Wohnturm fertig bauen.

Eine Zeittafel veranschaulicht ein schwieriges Jahr voller optimistischer Ankündigungen und begrenzter Ergebnisse.

11. November 2016: Vater und Sohn Michael und Mark Warbanoff, die beiden Gewa-Chefs, die eine Finanzierungsanleihe über 35 Millionen Euro in ganz Europa platziert haben, verkünden den Baustopp und versuchen noch, mit der Generalunternehmerin, der Baresel GmbH, zu verhandeln. Es bestehe „Abstimmungsbedarf hinsichtlich der weiteren Finanzierung und Bauplanung. Bis zur Klärung der offenen Punkte wurden die Bautätigkeiten unterbrochen“, heißt es in einer sogenannten Ad-hoc-Meldung etwas verharmlosend. Zu einer solchen kurzfristigen Bekanntgabe ist die Gewa als Herausgeberin einer Anleihe – als „Emittentin“ – verpflichtet.

18. November 2016: Schon eine Woche später wird das Aus, wiederum als Ad-hoc-Meldung, angekündigt: „Die Gespräche zur Wiederaufnahme der Bautätigkeiten zwischen der Gewa 5 to 1 GmbH & Co. KG und dem Generalunternehmer Baresel GmbH sind am heutigen Vormittag gescheitert. Die Emittentin wird nun unverzüglich einen Insolvenzantrag stellen. Geplant ist, das Gewa-Tower-Projekt im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens fertigzustellen. Gespräche laufen bereits unter Einbeziehung des Generalunternehmers.“

21. November 2016: Die Gewa stellt wie angekündigt den Insolvenzantrag. Das Amtsgericht Esslingen beauftragt Ilkin Bananyarli von der Kanzlei Pluta Rechtsanwalts GmbH in Stuttgart als vorläufigen Insolvenzverwalter. „Es sieht alles gut aus, der Turm wird errichtet. Nur sind wir dann nicht mehr dabei“, sagt Michael Warbanoff.

22. November 2016: Die Generalunternehmerin, die Baresel GmbH, verkündet, die Arbeiten sollen „in absehbarer Zeit“ wieder aufgenommen werden. Die Firma stehe für den Weiterbau bereit. Die Arbeiten sind laut Geschäftsführer Holger Wallisch „aufgrund ausstehender Zahlungen des Auftraggebers unterbrochen“ worden. Später ist zu erfahren, dass eine Rechnung über 3,5 Millionen Euro nicht bezahlt worden ist.

23. November 2016: Die neue Oberbürgermeisterin Gabriele Zull will helfen, sieht aber begrenzte Handlungsmöglichkeiten und schließt eine Bürgschaft der Stadt aus.

29. November 2016: Der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli erzielt nach eigenen Angaben erste Fortschritte. Er spricht mit Investoren, lässt den Rohbau gegen Frostschäden schützen und durch eine Sicherheitsfirma bewachen.

5. Dezember 2016: Die FZ berichtet von einer Besichtigung des Turms. Viel mehr als nackter Beton ist auch drinnen nicht zu sehen, in den oberen der 34 Stockwerke schon gar nicht. Nur unten sind erste Einbauten der Ausbaugewerke zu erkennen.

7. Februar 2017: Eine Verhandlungsrunde in Fellbach lässt Hoffnung aufkeimen. Ein Investor steht bereit.

8. Februar: Ein abschließendes Ergebnis dieser Verhandlungsrunde bleibt aus.

13. März: Der ungenannte Investor gibt eine unverbindliche Absichtserklärung ab und nennt vertraulich eine Kaufsumme.

11. April: Die FZ berichtet nun von zwei Investoren, die eine Absichtserklärung für den Kauf abgeben.

14. April: Erstmals werden Kaufsummen bekannt. Ein Investor bietet 15, der andere 13,5 Millionen Euro, jeweils mit einem „Besserungsschein“, für ein Projekt, das die Finanzierungsanleihe in Höhe von 35 Millionen Euro sowie die je nach Baufortschritt fälligen Raten der Käufer von 44 der 66 Wohnungen fast vollständig aufgebraucht hat. Fertig gebaut sollte der Turm mehr als 60 Millionen Euro wert sein.

19. April: Gläubiger zanken sich mit dem Treuhänder. Die Einladung für die sehnsüchtig erwartete erste Gläubigerversammlung ist zu knapp versendet worden.

25. April: Die erste Gläubigerversammlung in der Fellbacher Schwabenlandhalle endet ohne Beschlüsse.

26. bis 28. Juli: Die Anleihegläubiger wählen im schriftlichen Verfahren einen gemeinsamen Vertreter, den Rechtsanwalt Gustav Meyer zu Schwabedissen. Damit hat der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli einen Ansprechpartner, hinter dem die Geldanleger stehen. In Absprache mit ihm kann er nun Beschlüsse fassen. Bananyarli legt sich fest: Bis Jahresende will er den Tower verkaufen.

24. August: Ilkin Bananyarli begibt sich dennoch auf die Suche nach einer Zwischenfinanzierung, um den Turm für 1,5 Millionen Euro zuverlässig gegen die winterliche Witterung zu sichern. Der Gewa-Tower wird 63 Millionen Euro kosten statt der ursprünglich kalkulierten 57 Millionen Euro.

7. September: Das mit Spannung erwartete Bauzustandsgutachten für den insolventen Wohnturm in Fellbach liegt vor. Demnach konnte der vergangene Winter dem offenen Rohbau nichts anhaben. Er hat keine baulichen Mängel, die einen wesentlichen Rückbau oder eine wesentliche Reparatur erforderlich machen würden.

22. September: Ilkin Bananyarli und der Vertreter der Anleihegläubiger Gustav Meyer zu Schwabedissen entscheiden sich unter den zwei Bietern für einen Investor, der 13,5 Millionen Euro zahlen will und dazu noch eine Sicherungshypothek der Generalunternehmer-Firma Baresel in Höhe von 3,6 Millionen Euro übernimmt. Das vermeidet langwierige Rechtsstreits. Mit diesem Investor will Bananyarli bis zum 30. November exklusiv verhandeln. Sofern ein Vertrag zustande kommt, erhalten die Anleihegläubiger nur eine Quote von 40 Prozent ihres Anteils an der Finanzierungsanleihe zurück.

10. November: Oberbürgermeisterin Gabriele Zull, nunmehr ein Jahr im Amt, zieht ihr Turm-Resümee: „Seit Beginn meiner Amtszeit begleiten mich die Diskussionen um den Tower – und die gehen leider nicht um die Architektur. Für Fellbach wäre ein Fortgang der Baumaßnahmen sehr wünschenswert, und wir begrüßen daher die derzeitigen Verhandlungen zwischen dem Insolvenzverwalter und den Kaufinteressenten ausdrücklich.“