Hockeyfreunde: Helmut Schmidt (links) und Wolfgang Fröhlich. Foto: Max Kovalenko/PPF

Keine Olympia in Stuttgart. Und damit gibt es auch kein Hockeyturnier in Ludwigsburg am Fuchshof.

Ludwigsburg - Drei Dutzend Kinder jagen auf dem Kunstrasen am Fuchshof dem Ball nach. Es klackert, wenn die Holzschläger die kleine weiße Kugel treffen. „Mit der flachen Seite spielen!“, ruft ihnen ein Betreuer zu. Während die kleinen Mädchen und Jungen des Hockey-Clubs Ludwigsburg beim Spiel übers halbe Feld ihren Spaß haben, ver-suchen die älteren Nachwuchstalente, einen mit Schutzpolstern dick eingepackten Torhüter beim Strafstoßtraining zu verladen. In den Ecken ist der Keeper selbst bei schwach geschlagenen Bällen machtlos – fast jeder Schuss ist auch ein Treffer.

Am Rand des Spielfelds unterhalten sich die Eltern der Jugendspieler über Gott und die Welt. Auch über Olympia wird geredet, logisch. Schließlich sind die Spiele eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen die Randsportart Hockey mal ins Rampenlicht rückt. Ausgiebig wird diskutiert, wie Christopher Zeller beim mühsamen 1:0-Sieg gegen den Angstgegner Südkorea eine Strafecke in den linken Torwinkel schlenzte. Fernsehbilder sind sonst rar im Land des Olympiasiegers – auch wenn die Deutschen im Hockey zur Weltspitze zählen, wird der Sport von den Rundfunksendern oft links liegen gelassen.

Parallel zu dem mit Tribünen aufgestockten Spielfeld plante das Rathaus mit Blick auf die Olympia-Bewerbung den Bau eines zweiten Stadions für 10.000 Besucher.

Hätte Stuttgart den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2012 erhalten, stünden die Kamerawagen für die Live-Übertragung jetzt nicht an der Riverbank-Arena in London, sondern am Ludwigsburger Fuchshof. Das Jahnstadion, früher auch Schauplatz internationaler Reitturniere, wäre temporär zu einer rund 15.000 Zuschauer fassenden Hockey-Arena ausgebaut worden. Parallel zu dem mit Tribünen aufgestockten Spielfeld plante das Rathaus mit Blick auf die Olympia-Bewerbung den Bau eines zweiten Stadions für 10.000 Besucher. Knapp elf Kilometer Luftlinie vom Olympischen Dorf entfernt wäre in Ludwigsburg ein Hockey-Mekka aus dem Boden gewachsen.

Ludwigsburg versprach nicht nur die zwei Stadien für die Wettkämpfe, sondern wollte am Fuchshof auch gleich vier Trainings-plätze einrichten. Der seit 1984 bestehende Kunstrasen des Hockey-Clubs wäre für Olympia modernisiert worden, auch der aus den 1960er Jahren stammende Naturrasen hätte als Aufwärmfeld für die Sportler gedient. Unter den neuen Tribünen wären die Duschen und Umkleiden eingebaut worden.

Ans Geld wurde bei der Olympia-Bewerbung zuletzt gedacht

„Wenn sich Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster bei der Bewerbung nicht so hilflos am Rednerpult festgeklammert hätte, wäre bei uns mit Sicherheit ein Leistungszentrum für Hockey entstanden“, ist sich Wolfgang Fröhlich sicher. Der frühere Fußballer leitet im Ludwigsburger Rathaus den Fachbereich für Schule und Sport und kann sich noch gut an die Träume vom olympischen Ruhm erinnern. „Dabei sein ist alles!“ antworteten Stuttgarts Nachbarstädte auf die Frage nach geeigneten Sportstätten – und legten sich bei der Planung für das Großereignis ins Zeug. Ludwigsburg gab eine schriftliche Garantie ab, dass sich sämtliche nötigen Grundstücke bereits im städtischen Besitz befinden, und sicherte das Wohlwollen der Bürgervertreter für den Stadionbau und neue Tribünen zu. „Für den Sportpark Ost stellen Olympische Spiele einen Entwicklungsschub dar, der den Hockeysport nachhaltig fördert und als Aufwertung der gesamten Sportinfrastruktur zu sehen ist“, heißt es in einer Skizze der geplanten Wettkampfstätten im Jahr 2003.

Was der Hockey-Park am Ludwigsburger Fuchshof gekostet hätte, ist unklar. Ans Geld wurde bei der Olympia-Bewerbung zuletzt gedacht, laut Rathaus-Mann Fröhlich war die Detailplanung für die Sportstätten „nicht so weit gediehen, dass man exakte Zahlen hätte nennen können“. Das neu erbaute kleinere Stadion hätte auch nach dem Großereignis als Spielstätte dienen sollen. Nur das Jahnstadion wäre nach Olympia wieder fußballtauglich gemacht worden.

Sorgen um die Zukunft muss sich der Hockey-Club wohl dennoch nicht machen

„Ein Zuschlag für die Region Stuttgart wäre nicht nur fürs Hockey eine Riesensache gewesen“, bekräftigt Helmut Schmidt, ein Urgestein des Hockey-Clubs. Der frühere Erstligaspieler kümmert sich nicht nur um die Nachwuchsarbeit, sondern ist als Co-Trainer auch beim jüngst in die zweite Liga aufgestiegenen Herrenteam aktiv. Schmidt freut sich, dass der Verein nächstes Jahr den lang ersehnten zweiten Kunstrasen erhalten soll – zehn Jahre nach den Träumen vom Olympia-Stadion.

Sorgen um die Zukunft muss sich der Hockey-Club wohl dennoch nicht machen. Vor Jahren hatte ein vom Rathaus beauftragter Gutachter dem Hockeysport stark sinkende Spielerzahlen prophezeit, die Sportart sei gerade bei Kindern und Jugendlichen auf dem absteigenden Ast. Auf dem Trainingsgelände ist von Nachwuchsmangel freilich nichts zu sehen. Nach wie vor sind 20 Teams im Spielbetrieb – mehr wären es wohl auch mit Olympia nicht geworden.

Deutschlands Hockeymänner haben nach dem 4:2 gegen Australien das Finale am Samstag (21 Uhr) erreicht. Heute ist das Endspiel der Frauen: Holland gegen Argentinien.