So mancher Bodybuilder nimmt Anabolika, um seine Muskeln wachsen zu lassen. Ein Dopingmittelhändler steht jetzt vor Gericht. Foto: dpa

Ein 55 Jahre alter Kraftsportler hat vor dem Landgericht Stuttgart gestanden, in großem Stil verbotene Präparate für den Muskelaufbau an Fitnessstudios und Einzelpersonen verkauft zu haben.

Stuttgart - In den mehr als 7100 Fitnessstudios in Deutschland sind fast zehn Millionen Mitglieder registriert. Die meisten treiben dort Sport, um gesund und fit zu werden oder zu bleiben. Hartgesottene Bodybuilder beiderlei Geschlechts setzen jedoch weniger auf Fitness. Sie wollen, dass ihre Muskeln wachsen, immer weiter. Oft greifen die sogenannten Stoffer dabei zu verbotenen und gesundheitsschädlichen Präparaten. So auch der 55 Jahre alte Mann, der am Dienstag vor dem Landgericht gestanden hat, vom Selbstdoper zum Dopingmittelhändler geworden zu sein.

„Ich bin da so reingerutscht“, sagt der gebürtige Stuttgarter, der inzwischen im Remstal lebt. Der Ankläger von der Staatsanwaltschaft Freiburg, die in Baden-Württemberg für Dopingvergehen zuständig ist, wirft dem Mann vor, vor allem im Jahr 2013 Bodybuilder und Sportstudiobesitzer mit allem versorgt zu haben, was der Dopingmarkt hergibt: mit Anabolika, Testosteronpräparaten, Fettverbrennern wie Ephedrin, Östrogenblockern, mit dem Kälbermastmittel Clenbuterol, mit Nandrolon, Insulin und Viagra. Die eine Gruppe von Mitteln sind zum Muskelaufbau bestimmt, die anderen Stoffe, um die Nebenwirkungen zu bekämpfen.

Präparate aus Untergrundlaboren

Die Mittel sind in Deutschland aber entweder nicht zugelassen oder sie sind verschreibungspflichtig. Zum Teil stammten sie aus „Untergrundlaboren“, so der Staatsanwalt. Beim anderen Teil habe es sich um Apothekenware ungeklärter Herkunft gehandelt. Bei dem Angeklagten konnten sie bestellt werden.Seine Kunden im Großraum Stuttgart bekamen die illegale Ware entweder per Post oder sie wurde direkt übergeben. Am Telefon habe der Angeklagte auch eine Beratung angeboten, was man in welcher Dosis anzuwenden habe. „Wenn man sportlich weiterkommen will, kommt man an dem Stoff nicht vorbei“, sagt der Kraftsportler, der selbst an einigen Bodybuildingwettkämpfen teilgenommen hat. Also habe er vor vor gut zehn Jahren begonnen zu dopen. „Ich habe die komplette Palette genommen“, sagt der 55-Jährige. Auf Meisterschaften und beim Training komme man unter Bodybuildern ins Gespräch. Wenn gefragt wurde, habe er immer wieder einmal etwas von dem Stoff abgegeben.

2008 habe er auf der Fitness- und Gesundheitsmesse Fibo einen gewissen Paul R. aus Österreich kennengelernt. Der sei sein Lieferant geworden. Und dieser Paul habe ihn auch gedrängt, das Geschäft mit Dopingmitteln zu intensivieren. Also habe der Angeklagte in Plüderhausen einen Lagerraum angemietet. Die Ampullen, Pülverchen und Tabletten kamen per Post. 2013 sei es richtig losgegangen. „Aus anfänglichen Gefälligkeiten ist das Ding dann gewachsen“, so der Angeklagte.

Schlimme Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen verbotener Muskelpräparate sind bekannt: Hautreaktionen wie flächendeckende Akne über Haarausfall, erhöhte Schweißproduktion, Brustdrüsenwachstum beim Mann und Schrumpfhoden bis hin zu Depression, Panikattacken, Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfall. „Ich habe mich regelmäßig durchchecken lassen. Ich habe nichts“, sagt der Angeklagte.

Die größte Lieferung nach Plüderhausen hatte einen Einkaufswert von 110 000 Euro. Pro Fläschchen oder Ampulle lag der Aufschlag dann bei bis zu fünf Euro. An Tabletten habe er – je nach Größe der Packung – fünf bis zehn Euro verdient, sagt der Angeklagte.Nachdem die Fahnder das Telefon des Dopingmittelhändlers zwischen Mai und September 2013 abgehört hatten, schlugen sie zu. Bei der Durchsuchung des Lagerraums in Plüderhausen Ende September 2013 stellten sie Tausende Ampullen und Zehntausende Tabletten sicher. In der Wohnung des Mannes fand die Polizei zudem eine Pumpgun, zwei Revolver und rund 1000 Schuss Munition. Der Lieferant Paul R. aus Österreich bleibt indes mysteriös. Er konnte, anders als etliche Kunden des Angeklagten, bis jetzt nicht ermittelt werden. Der Prozess wird fortgesetzt.