Ali Majedi (68) ist seit Oktober iranischer Botschafter in Berlin. Foto: Jan Reich

Der iranische Botschafter Ali Majedi gilt als ein Mann mit Wirtschaftssachverstand. Nach dem Atom-Deal bringt der Ökonom deutsche und iranische Firmen zusammen. Im Interview sagt er, worin die neue wirtschaftspolitische Strategie der iranischen Regierung besteht.

Herr Majedi, inwiefern hat sich Ihre Arbeit durch die Atom-Verhandlungen verändert?
Wir stellen fest, dass es ein gesteigertes Interesse am Iran gibt. 2014 ist die Zahl der Visa, die wir vergeben haben, um 50 Prozent gegenüber 2013 gestiegen. Und seit der Atomeinigung haben wir ein völlig neues Kapitel der deutsch-iranischen Zusammenarbeit begonnen.
2005 hat Deutschland Waren im Wert von 4,4 Milliarden Euro in den Iran exportiert. Die Wirtschaft hofft, diesen Wert schnell wieder zu erreichen. Wann wird das der Fall sein?
Es ist richtig, dass Deutschland vor den Sanktionen der zweitwichtigste Handelspartner des Iran war. Inzwischen liegt Deutschland allerdings nur noch auf Platz fünf. Zwischen 2013 und 2014 ist das Exportvolumen um 30 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro gestiegen. Ich gehe davon aus, dass Deutschland auf der Liste der iranischen Handelspartner seinen alten Platz wieder einnehmen kann – das wird aber drei bis vier Jahre dauern. Der Iran ist jetzt zwar wieder offen für deutsche Firmen. Allerdings ist auch der Wettbewerb gestiegen.
Zwischen wem?
Zwischen den europäischen Firmen, die auf den iranischen Markt wieder Fuß fassen wollen, untereinander. Aber auch zwischen den Europäern und den Firmen, die in die Lücke gestoßen sind, die europäische Firmen hinterlassen haben. Das sind vor allem chinesische Unternehmen. Die Iraner wissen allerdings die Qualität, die deutsche Firmen bieten, wesentlich besser zu schätzen als viele andere Länder.
Also befindet sich der Iran gerade in einer guten Verhandlungsposition, wenn es um den Preis für die Qualität aus Deutschland geht?
Die iranischen Firmen können sich ihre Kooperationspartner jetzt aussuchen. Und dabei ist ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ein wichtiges Kriterium. Es reicht uns allerdings nicht mehr, nur die Importprodukte aus Deutschland zu kaufen. Wir erwarten Investitionen im Iran. Wir wollen, dass deutsche Firmen vor Ort produzieren und Arbeitsplätze schaffen. Entweder gemeinsam mit iranischen Unternehmen oder eigenständig.
Ist das eine Bedingung für künftige Geschäftsbeziehungen?
Das ist der neue wirtschaftspolitische Ansatz der iranischen Regierung. Aber es ist keine Bedingung.
Warum sollten deutsche Unternehmen dann im Iran investieren?
Wir haben eine junge und gut ausgebildete Bevölkerung. Die Personalkosten im Iran sind längst nicht so hoch wie die in Deutschland. Dazu kommen sehr niedrige Energiekosten und steuerliche Vorteile. Es gibt im Iran sieben steuerfreie Zonen, in denen sich Investoren niederlassen können. Im restlichen Gebiet ist die Steuergestaltung von Branche zu Branche unterschiedlich. Wenn Firmen aus Baden-Württemberg im Iran investieren, haben beide Seiten etwas davon.
Inwiefern?
Deutsche Marken haben im Mittleren Osten einen guten Ruf. Wenn deutsche Firmen mit den iranischen Unternehmen kooperieren, können sie im Iran qualitativ hochwertige Produkte zu einem geringeren Preis anbieten, da die Produktionskosten im Iran niedrig sind. Im Mittleren Osten leben rund 400 Millionen Menschen. Damit ist die Region, was die Bevölkerung betrifft, so stark wie die Europäische Union. Der Mittlere Osten ist also ein äußert interessanter Absatzmarkt. Mit dieser Botschaft wollen wir vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen erreichen und die Familienbetriebe.
Warum?
Weil diese eher auf die Kooperation mit iranischen Unternehmen angewiesen sind, um neue Märkte zu erschließen, als die großen Konzerne.
Gibt es schon deutsche Firmen, die angekündigt haben, im Iran neue Produktionsstandorte zu errichten?
Natürlich. In den vergangenen sechs Monaten haben sich bereits 25 neue deutsche Firmen im Iran registrieren lassen, weil sie dort ein neues Büro aufgemacht haben.
Eine weitere Kooperation soll es etwa zwischen Iran Khodro und Daimler geben.
Daimler und Iran Khodro waren schon vor den Sanktionen Partner, und sie wollen die Zusammenarbeit nun wieder erneuern. Und auch Volkswagen sucht derzeit nach Möglichkeiten, wie das Unternehmen zum iranischen Markt Zugang finden kann. Vor kurzem habe ich Bosch besucht. Auch dort ist der Iran ein Thema.
Bosch-Produkte sind für den Iran interessant?
Die Hausgeräte von Bosch sind im Iran sehr bekannt. Außerdem ist das Unternehmen in der Lage, viele wichtige Komponenten für die Automobilindustrie zu liefern.
Der Iran ist der größte Automobilhersteller in der Region. Gehen Sie davon aus, dass der Markt für deutsche Hersteller wie Daimler nur im Bereich der Nutzfahrzeuge interessant ist oder auch bei Oberklassewagen?
Im Iran wurden 2014 insgesamt rund eine Million Autos produziert. Das sind fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Für Mittelklassewagen, die bis zu 30 000 Euro kosten, ist der Mittlere Osten ein sehr interessanter Markt. Die höheren Preissegmente werden dort bislang jedoch kaum nachgefragt.
Wobei die Kaufkraft im Iran zunehmen dürfte. Zumindest die Inflation hat sich beruhigt.
Die neue Regierung hat die finanzielle Situation im Land unter Kontrolle. Das ist auch deshalb wichtig, damit der Iran die Kriterien für ausländische Investitionen erfüllt. Die Inflationsrate lag 2013, als die neue Regierung an die Macht kam, bei 35,2 Prozent. Bis jetzt ist sie auf 15 Prozent gesunken, und das Ziel ist, dass sie bis 2017 nur noch im einstelligen Bereich liegt. Die Regierung hat außerdem eine Währungsstabilität erreichen können.
Die Wirtschaft in Deutschland schenkt dem Atom-Deal gerade viel Aufmerksamkeit. Ist das im Iran auch so ein großes Thema?
Ich denke, dass diese Einigung für die Beziehung der Iraner zu Ländern wie Deutschland sehr wichtig ist. Über die bereits angesprochenen Punkte hinaus ist es ein weiteres großes Ziel des Iran, die duale Ausbildung im Land weiter auszubauen. Und zwar nach dem deutschen Vorbild. Auch auf diesem Gebiet gibt es schon seit Jahren eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Iran und Deutschland. Zusammen könnten wir das System der Berufsschulen und der technischen Ausbildung auch in den umliegenden Ländern wie Afghanistan oder Tadschikistan durchführen.